Der Zusammenbruch

Hat man mal seine Lage nüchtern und ungeschminkt analysiert und bewertet, nimmt man stolz und demütig die Haltung an, die dem Heiligen Rat der Liebe und der Sehnsucht des Universums die Ehre erweist.

Der für gewöhnlich verwendete Begriff “Zusammenbruch” bezeichnet zumeist etwas eher Unspezifisches bzw. Vages, wird aber immer dann gebraucht, wenn auf den Zusammenbruch einer psychischen Organisation bzw. eines psychischen Funktionierens hingewiesen werden soll, wobei dies immer auch eine Gefährdung des Kontakts zu den Objekten der äußeren Welt impliziert. Die Psychoanalyse verfügt allerdings über spezifischere und differenziertere Konzeptualisierungen, wie man sich einen “Zusammenbruch” vorstellen kann. Wenn der seelische Schmerz die Grenze des Erträglichen übersteigt, hat das Ich die Tendenz, sich in sich selbst zurückzuziehen und sich von der Außenwelt abzuschotten. Das lässt jedoch nicht unbedingt auf eine übermäßige Schwäche der Ich-Organisation schließen. Winnicott vertrat die Auffassung, dass ein Patient, der mithilfe der Abwehrstrategie des Sich-selbst-Haltens ein “falsches Selbst” entwickelt und eine undurchdringliche Mauer um sich herum errichtet hat, dadurch implizit darauf verweist, dass er niemals aufgehört hat, sich danach zu sehnen, authentisch zu sein und sich den Unvorsehbarkeiten und Wechselfällen des Lebens spontan zu überlassen. Damit eröffnet uns Winnicott eine völlig neue Sichtweise, die es uns erlaubt, den Zusammenbruch als ein Phänomen zu begreifen, das von einem ursprünglichen Verlangen herrührt, ein spontanes und authentisches Leben zu leben.  

Das Publikum jedenfalls ist beeindruckt. Wenn es denn überhaupt noch etwas spürt.

Winnicotts grundlegende These lautet, “dass das, was uns klinisch als Angst vor dem Zusammenbruch begegnet, die Angst vor einem Zusammenbruch ist, der bereits erlebt wurde. Eine Furcht vor den ursprünglichen archaischen Seelenqualen, die der Grund für die Abwehrorganisation war, die der Patient jetzt als ein Krankheitssyndrom zum Ausdruck bringt.” Freuds Vorstellung von der Nachträglichkeit (die Vorstellung also, dass die Erinnerung von der Gegenwart mitbestimmt und mitgeformt wird), findet hiermit bei Winnicott eine für die Psychoanalyse zukunftweisende Wiederbelebung, da Winnicott zufolge die Vergangenheit stets mit der Gegenwart überblendet bzw. überlagert wird. 

Der Aufsatz von A. Alvarez über die unterschiedlichen Ebenen der analytischen Arbeit gibt uns Anhaltspunkte dafür, wo sich der Patient in einem bestimmten Augenblick möglicherweise gerade befindet. Diese von Alvarez vorgeschlagene Stratifizierung des psychischen Geschehens macht es uns möglich, unterschiedliche Arten des Zusammenbruchs genauer zu definieren. Zum einen gibt es das fragile Selbst, welches im Begriff steht in einem sich endlos perpetuierenden Endspiel zusammenzubrechen. Aber andererseits kann ein depressiver Zusammenbruch bei jemandem, dessen psychische Funktionsweise eher autistisch ist, auch zu einem intensiveren In-Kontraktreten mit seinen Gefühlen führen, aber damit gleichzeitig auch mit dem Schmerz, den er anderen verursacht hat. So gesehen, ist die Bezeichnung “Zusammenbruch” nicht zwangläufig ein Indiz für ein schwaches oder fragiles Selbst, sondern kann auch ein Hinweis auf eine Leidesfähigkeit bzw. -bereitschaft sein, wohingegen die Flucht vor dem, bzw. der verbissene Kampf gegen den, seelischen Schmerz auf eine psychische Starrheit bzw. Unflexibilität hindeutet.

Wir haben Angst und sind allein
Gott weiß, ich will kein Engel sein

Tatsächlich befindet sich meiner Ansicht nach derjenige Patient, der Zuflucht in Omnipotenz- und Wahnvorstellungen gesucht hat und nicht wieder den Weg zurück in die Wirklichkeit finden kann, in der denkbar misslichsten und  therapeutisch widerständigsten Ausgangssituation. Entgegen der allgemein gängigen Vorstellung kann man sagen, dass derjenige Patient, der sich am meisten gegen den Zusammenbruch zur Wehr setzt, der ist, welcher der Fähigkeit ermangelt, für sich selbst Wahrheit erlangen zu wollen.

Dies erinnert mich an meine Patientin J., eine Frau in ihren Vierzigern, die finanziell und auch sonst in hohem Maße von ihrer Familie abhängig war, die aber als Tarnung fortwährend eine manische Attitüde bzw. Fassade zur Schau trug. Sie behauptete nur deswegen in die Analyse zu kommen, weil ihre “Schwester ein hysterisches Biest” sei. Sie sagte, die Familienmitglieder wollten lediglich die ihnen obliegenden Pflichten an jemand anderen außerhalb delegieren, aber sie lasse sich doch nicht “zum Narren halten”, von niemandem. Sie sagte, sie würde nicht eigentlich wegen ihrer Sitzungen kommen, aber sie wolle unbedingt das Geld von ihnen für das Honorar. Sie hatte, wie sie sagte, einige Dealer im Dark Web “aufgetan”, mit denen sie irgendwelche Geschäfte machte und die ihr illegale Sachen abkauften, was ihr bald, wie sie großsprecherisch meinte, eine riesige Menge Geldes einbringen werde, so dass sie dann auf ihrer eigenen Insel leben könne. Und dann könnte sie sich auch einen Partner kaufen und sich mehrere Leihmütter leisten, die an ihrer Stelle für sie ihre Kinder austragen würden. “Ich hab mir alles schon ganz genau ausgedacht!” Die Arbeit mit J. war von kurzer Dauer. Es war unausweichlich, dass ihr Zusammenbruch einem Holocaust gleichkam, und dass sie ganz ähnlich wie Miltons Mammon sich in doppelzüngigen Reden und  Formulierungen erging. Mammon beispielsweise tröstet die gefallenen Engel über den Verlust des Himmels dadurch hinweg, dass er ihnen sagt, sie sollten dankbar dafür sein, denn in der Hölle seien sie “frei und niemandem Rechenschaft schuldig, lieber frei auf harte Art als unterm Joch bequem in dienerischem Prunk”.

Eigentlich wissen wir Engel schon wenn wir starten, dass wir den Himmel nicht erreichen werden.

Vieles von all dem kann vermutlich nicht allein anhand des manifesten verbalen Inhalts der Kommunikation vermittelt werden, sondern verbirgt sich in und hinter der Syntax, im Gebrauch der sprachlichen Zeitformen, in der spezifischen Perspektive der jeweiligen Rede- und Ausdrucksweise, sowie in der Stimme selbst. Versucht der Patient den Zusammenbruch etwa dadurch von sich fern zu halten, dass er ihn verharmlost? Bisweilen geschieht das dadurch, dass Patient und Analytiker gemeinsam in einer Art von trügerischem Einverständnis ungläubig und skeptisch auf etwas hinschauen, das sich offenbar vor langer Zeit ereignet hat. Dann stellt sich allerdings die Frage: Ist die Distanz zum Zusammenbruch zu groß, als dass er jemals zu erreichen sein wird?   

Kann uns also möglicherweise die Syntax etwas darüber sagen, ob sich ein baldiger Zusammenbruch ankündigt? Hat sich der Zusammenbruch vor langer Zeit ereignet? Oder passiert er womöglich gerade nun im Hier und Jetzt? Ist die Reaktion darauf Flucht oder Unterwerfung bzw. Sich-Überlassen und den Widerstand aufgeben? In diesem kurzen Aufsatz werden – anhand von einigen Auszügen aus Gedichttexten diverser Autoren – unterschiedliche Strategien und Möglichkeiten des Umgehens mit einem Zusammenbruch aufgezeigt, wobei insbesondere auch die Syntax der Beziehung zum Schmerz und zu den inneren Objekten im Fokus der Untersuchung steht.

1. Den Zusammenbruch von sich fern halten
In dem nun folgenden Gedichtzeilen von Emily Dickinson sieht sich der Leser höchstwahrscheinlich mit der Beschreibung eines Zusammenbruchs konfrontiert  

Es war nicht Tod:

Wenn alles Ticken plötzlich stockt –
Der Raum rings gähnt und starrt –
Wenn schauerlich im Herbst der Frost
Den Puls des Bodens sperrt –

Dem Chaos glich’s – nicht aufhaltbar –
Kühl. ohne Chance, Halt –
Und nirgends Land in Sicht – damit
Verzweiflung Recht behält.

[It Was Not Death:

When everything that ticked – has stopped –
And space stares – all around –
Or Grisly frosts – first Autumn morns,
Repeal the Beating Ground –

But most, like Chaos – Stopless – cool –
Without a Chance, or spar –
Or even a Report of Land –
To justify – Despair.]

Dies scheint unverkennbar die poetische Schilderung eines Zusammenbruchs des Realitätsbezuges zu sein. Und hintersinniger noch könnte man sagen, dass sich hier alles um die inneren Objekte (hier verkörpert durch Metaphern der Zeit und des Raumes) dreht, die uns ehedem einen Halt und einen Ort zu geben vermochten und die nunmehr im Begriff stehen, ihre Bedeutung zu verlieren. Wir bekommen eindrücklich geschildert, wie die beiden uns für gewöhnlich Halt und Stabilität bietenden Dimensionen immer mehr an Elastizität einbüßen – die Zeit schrumpft und der Raum expandiert. Und somit ist beispielsweise der Halt und Standfestigkeit gebende Boden (oder die Mutter) dem Blick entschwunden, zunichte gemacht durch die Invasion feindlicher Objekte, wie etwa dem Frost, was das Chaos unaufhaltbar fortschreiten lässt. Die guten Objekte werden von den feindlichen Objekten verdrängt. Aber dieses Gedicht ist offensichtlich ‚danach‘ geschrieben – wenn das Chaos bereits einer Erinnerung Platz gemacht hat, die der Erfahrung nunmehr eine gewisse Struktur und einen Umriss verleiht. Die Schärfe und Präzision der Beschreibung lässt den Wunsch der Sprecherin spürbar werden, den Schmerz auf Abstand zu halten. Indes ist hier letztlich nicht zu entscheiden, ob es sich um eine aus der Vergangenheit stammende Erinnerung an einen Zusammenbruch handelt, oder ob möglicherweise der nicht-psychotische Teil der Persönlichkeit den psychotischen Teil der Persönlichkeit beschreibt.  

In Was mir an Kummer kommt vor Augen / Das pfleg ich abzuschätzen vergleicht die Sprecherin auf geistreiche und witzige Art und Weise ihr eigenes Leiden mit dem der anderen. Hier wird uns gezeigt, dass die Anerkennung menschlichen Leidens den spielerisch ironischen Umgang damit keineswegs ausschließen muss, schaut doch die Dichterin nicht einfach nur auf das Leiden, sondern sie schaut darauf mit kritisch “abschätzendem” Blick, so als gäbe es da neben allem anderen auch noch so etwas wie eine rivalisierende Überlegenheit: 

Was mir an Kummer kommt vor Augen
Das pfleg ich abzuschätzen – 
Ist er so schwer wie Meiner – ist er 
Von angenehmrer Größe – 

[I measure every Grief I meet
With narrow, probing Eyes- I wonder if It weighs like Mine-
Or has an Easier size…]

Dickinsons Zeilen enden damit, dass sie ihr eigenes Leiden auf spielerisch spöttische Art und Weise mit dem von Christus vergleicht, indem sie den Kalvarienberg ins Spiel bringt: 

So schafft es mir doch herben Trost
Auf dem Kalvarienberg –
Des Kreuzes – Moden zu beachten
Wie sie die meisten kleiden – 
Noch immer reizt mich die Vermutung
Dass Manche – sind wie meine –

[A piercing Comfort it affords
In passing Calvary-
To note the fashions – of the Cross-
And how they’re mostly worn-
Still fascinated to presume
That Some are like My Own.]

Man beachte die spielerische Doppeldeutigkeit von ‚fashion‘, sowohl im Sinne von Mode, also populärem Stil, aber auch im Sinne der spezifischen Art und Weise, etwas zu tun. Was für Leidens-Abzeichen gibt es und auf welch unterschiedliche Weise werden sie von den Menschen zur Schau getragen? Letztlich bleibt es der Phantasie und Vorstellungskraft des Lesers überlassen, ob Dickinsons Art zu leiden, derjenigen eines anderen Menschen überhaupt vergleichbar ist. Dass dies in der Schwebe gelassen wird, verleiht dem Gedicht eine gewisse Grazie und Gefasstheit. Dem Leser bleibt am Ende lediglich übrig, die witzigen sprachlichen Gesten der Dichterin zu bewundern, wodurch er allerdings systematisch auf Distanz zum Zusammenbruch gehalten wird. Man kann also sagen, die Distanz zum Schmerz wird mithilfe des spielerischen Elements und der Präzision hergestellt. Die Balance zwischen dem Bedürfnis vom Schmerz zu sprechen und dem gleichzeitigen Bestreben, eine innere Distanz zum Ort des Leidens aufrecht zu erhalten, erzeugt eine in der Schwebe gelassene Spannung, die auf eine Verletzlichkeit hindeutet, und zwar mehr als die Worte selbst zum Ausdruck zu bringen vermögen, die in ihrer sprachlich trefflichen Eleganz und Stimmigkeit, eine Unbedenklichkeit und Ungefährlichkeit vorzugeben versuchen.  

2. Ringen mit dem Zusammenbruch
Im Unterschied zu Emily Dickinson, die aus einer inneren Distanz heraus schreibt, unternimmt die Sprecherin in Sylvia Plath’s Gedicht “Tulpen” den Versuch, ihre Verrücktheit abzuspalten und in die Blumen hinein zu projizieren, was diese zu “bizarren Objekten” werden lässt. Nach einer Klinikeinweisung infolge eines psychischen Zusammenbruchs versucht Sylvia Plath, die Tulpen als eine Verkörperung bzw. Verdopplung der Verrücktheit zu beschreiben: 

Die Tulpen sind zu erregbar, es ist hier Winter.
Sieh wie weiß alles ist, wie still, wie eingeschneit.
Ich lerne Friedlichkeit, Alleinliegen, ruhig
Wie das Licht liegt auf diesen Weißen Wänden, diesem
Bett, diesen Händen. 

[The tulips are too excitable, it is winter here.
Look how white everything is, how quiet, how snowed-in.   
I am learning peacefulness, lying by myself quietly
As the light lies on these white walls, this bed, these hands.]   

Im ersten Moment mag dies vielleicht wie eine Art von Seelenfrieden anmuten, nur dass bei genauerem Hinhören sogleich so etwas wie die Unterwerfung unter eine medizinische Routineanwendung evident wird, eingekerkert in eine Art von trügerischem Wohlbefinden:  

Ich hab alles treiben lassen, einen dreißigjährigen Lastkahn,
Hartnäckig halte ich fest an meinem Namen und meiner Adresse.
… und [sah] das Wasser steigen, mir über den Kopf. 
Ich bin eine Nonne jetzt, nie noch war ich so rein.

[I have let things slip, a thirty-year-old cargo boat   
stubbornly hanging on to my name and address.
…the water went over my head.   
I am a nun now, I have never been so pure.]

Dies ist zweifellos nicht die Beschreibung eines Zustands der Ruhe; desorganisierte Objekte suchen vergeblich einen Container:

Die Tulpen sind erstens zu rot, sie tun mir weh.
Ihr Rot spricht zu meiner Wunde, es entspricht ihr.

[The tulips are too red in the first place, they hurt me.
Their redness talks to my wound, it corresponds.]

Die Protagonistin des Gedichts lässt sich von diesen blutroten Blumen all zu leicht verstören, weswegen sie dann sagt:

… Und ich sehe mich, flach, zum Lachen, ein papierener Scherenschnittschatten
… ich wollte gesichtslos werden.
Die lebhaften Tulpen essen meinen Sauerstoff.

[… see myself, flat, ridiculous, a cut-paper shadow   
…I have wanted to efface myself.   
The vivid tulips eat my oxygen.]

Hier ist ein Dualismus am Werk, der an ein manichäisches Drama erinnert. Vergleichbar dem Kampf zwischen Dunkelheit und Licht befinden sich hier die psychotischen und nicht-psychotischen Teile der Persönlichkeit in einer tödlichen Auseinandersetzung. Der psychotische Teil explodiert infolge eines ungeeigneten Containers (Krankenhaus). Während die Sprecherin noch den Versuch unternimmt, sich der Psychose zu erwehren, die ihre Psyche zu überwältigen droht, wird ihre Stimme immer hektischer und verängstigter: 

Die Tulpen sollten hinter Gittern sein wie gefährliche Tiere;
Sie öffnen sich wie das Maul einer großen afrikanischen Katze ..

[The tulips should be behind bars like dangerous animals;   
They are opening like the mouth of some great African cat…”]

Die letzten Zeilen des Gedichts nehmen einen eher depressiven Ton an, wobei die psychische Fragmentierung nicht länger verleugnet und abgewehrt werden kann:

Das Wasser, das ich koste, ist warm und salzig, wie das Meer,
Und kommt aus einem Land so fern wie Gesundheit.

[The water I taste is warm and salt, like the sea,
And comes from a country far away as health.]

Dieses Hin und Her lässt uns unweigerlich an die Sitzungen mit Patienten denken, welche uns mit der Erfahrung von ‚bizarren Objekten‘ konfrontieren. Mir kommt beispielsweise meine Patientin Sudha in den Sinn, die die gesamte Sitzung über unablässig kichern muss, und zwar einzig und allein deswegen, weil in meinem Behandlungszimmer ein neuer Stuhl steht. “Er beobachtet uns”, sagt sie immer wieder. “Ich habe das Gefühl, er starrt uns an und überwacht uns.” Sudha ist unfähig, ihre Erfahrung in Worte zu fassen, aber der Stuhl kommt ihr entgegen und wird für sie zu einem undefinierbaren inneren Objekt, das aus den Trümmern und Partikeln zerstückelter und zerstörter innerer Objekte zusammenmontiert ist. Wie den Tulpen, so kommt auch dem Stuhl die Funktion zu, ein gebrochenes Ich vor dem endgültigen Absturz in den Abgrund zu bewahren.

3. Sprechen aus dem Abgrund
Schließlich ist da auch noch T. S. Eliots frühe Dichtung, die ganz und gar von der Erfahrung eines Zusammenbruchs geprägt und durchdrungen ist, wo sich halluzinatorische Stimmen vervielfachen, und wo es keine Kohärenz zu geben scheint. Tatsächlich ist es naheliegend, ‚Das öde Land‘ als eine Beschreibung von Fragmentierung zu interpretieren, wo zusammenhanglose Stimmen wie bei einem psychotischen Zusammenbruch wie zufällig und willkürlich aufeinander folgen:

‚Vor einem Jahr, da brachtest du mir erstmals Hyazinthen;
Sie nannten mich das Hyazinthenmädchen.‘
– Doch als wir wiederkamen aus dem Hyazinthengarten, es war schon spät,
Da hattest du die Hände voll, dein Haar war nass, da konnte ich nicht mehr
Sprechen, ich sah auch nichts mehr, ich fühlte mich weder
tot noch lebendig, und alles war weg.

[“You gave me hyacinths first a year ago;
“They called me the hyacinth girl.”
—Yet when we came back, late, from the Hyacinth garden,
Your arms full, and your hair wet, I could not
Speak, and my eyes failed, I was neither
Living nor dead, and I knew nothing…]

Oder man könnte das Gedicht als die Erfahrung einer Derealisierung deuten:

Unwirkliche Stadt,
Unter dem braunen Nebel eines Wintermorgens …

[Unreal City,
Under the brown fog of a winter dawn…]

Der Zusammenbruch der Sprache spiegelt eine innere Trümmerwelt wieder: 

Fiedh fiedh fiedh
Tak tak tak tak tak tak
So rüde zwang 
Tereu

[Twit twit twit
Jug jug jug jug jug jug
So rudely forc’d.
Tereu]

Dies wird dann offen zum Ausdruck gebracht:

‚In Margate Sands.
Ich kriege nichts 
Mit nichts zusammen.‘

[On Margate Sands.
I can connect
Nothing with nothing.]

Man könnte sagen, das gesamte Gedicht vermittelt den Eindruck einer Darstellung von öden, unfruchtbaren Beziehungen, die geprägt sind von zersplitterten inneren Objekten, deren Stimmen die Vervielfachung der Fragmentierung nur immerfort bekräftigen und intensivieren, was suggeriert, dass der Sprecher gerade im Begriff steht, einen Zusammenbruch zu erleben. Infolgedessen könnte man sagen, das Gedicht ist eher die Verkörperung einer Unterbrechug und eines Zusammenbruchs als eine aus der Erinnerung gespeiste Beschreibung daran. Der ein oder andere von uns wird sich vielleicht an Patienten erinnern, die uns unzusammenhängende Worte zuflüstern, weil sie unfähig sind, die Trümmerlandschaft ihrer inneren Welt in einer verständlichen Sprache zu kommunizieren. Die Inkohärenz unstimmiger und misstönender innerer Objekte, die immer wieder einmal flüchtig in ihnen aufblitzen und zum Leben erwachen, ist allerdings nichts weiter als eine Travestie von wirklicher Gegenwart.

Die Trümmerlandschaft der inneren Welt wurde mal von äußeren Objekten verursacht. Nach dem psychotischen Zusammenbruch erscheint Friedlichkeit.
Nach großem Schmerz, ein förmlich dumpf‘ Gefühl
Die Nerven schweigen still, so feierlich wie Grabesgruften

Es ist eine bleierne Zeit —
Nurmehr Erinnerung, wenn überlebt,
Wie den Erfrierenden erscheint der Schnee —

Erst — kalt — dann fühllos starr – und dann das Gehenlassen —

Schlussbemerkung
Angefangen mit der Doppelzüngigkeit von Miltons Mammons über den bei Dickinson evozierten Schwebezustand, und den bei Plath letztlich erfolglosen Kampf gegen die Psychose, bis hin zum Sich-ergeben bei Eliot, können wir unterschiedliche Möglichkeiten des Umgangs mit dem Zusammenbruch konstatieren, Und möglicherweise vernehmen wir dann in einem Augenblick, in dem wir es am wenigsten erwarten, die ein oder andere dieser ganz unterschiedlichen Tonalitäten: wenn etwa jemand in Superman-Manier vom Boden der Wirklichkeit abhebt und in seine Wahnwelt davonfliegt; wenn jemand die eigene Verrücktheit aus ironischer Distanz heraus betrachtet, gerade so als handele es sich dabei um eine andere Person; oder wenn sich jemand des Zusammenbruchs dadurch zu erwehren versucht, indem er ihn in irgend etwas außerhalb seiner selbst hinein projiziert; und schließlich, wenn sich jemand in einer Situation befindet, wo jedweder Kontakt unterbrochen scheint und keine wirklichen, sondern nur noch halluzinatorische Stimmen hörbar werden. 

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