This Is a Photograph of Me

This Is a Photograph of Me

It was taken some time ago.
At first it seems to be
a smeared
print: blurred lines and grey flecks
blended with the paper;

then, as you scan
it, you see in the left-hand corner
a thing that is like a branch: part of a tree
(balsam or spruce) emerging
and, to the right, halfway up
what ought to be a gentle
slope, a small frame house.

In the background there is a lake,
and beyond that, some low hills.

(The photograph was taken
the day after I drowned.

I am in the lake, in the center
of the picture, just under the surface.

It is difficult to say where
precisely, or to say
how large or small I am:
the effect of water
on light is a distortion

but if you look long enough,
eventually
you will be able to see me.)

Margaret Atwood „This is a Picture of Me“

I am in the lake, in the center
of the picture, just under the surface.

Das permanente Empfinden, sich allem Anschein zum Trotz unsichtbar zu fühlen, wird von Margaret Atwood in einem Gedicht „Dies ist eine Fotographie von mir“ (1964) auf eindrückliche Weise zum Ausdruck gebracht. Bereits der Titel stellt dem Leser in Aussicht, dass die Erzählerin bzw. das spechende Ich in dem Gedicht über eine Fotographie von sich selbst spricht: „Sie wurde vor einiger Zeit aufgenommen“, woraufhin dann etwas folgt, was wie eine vorneweg gemachte Entschuldigung klingt, mit welcher der Leser gesagt bekommt, dass es sich hierbei um einen „unscharfen Fotodruck“ handelt mit „verwischten Konturen“. Etwas später wird in dem Gedicht von „(Balsam- oder Fichtenzweigen)“ gesprochen. Anschließend erfährt der Leser noch, dass sich dahinter ein See und dann die Berge befinden. Dieser offensichtliche Hintergrund wird zunächst absichtlich als Vordergrund präsentiert: Die zweite Hälfte des Gedichts steht zwischen Klammern:

(Die Fotographie wurde aufgenommen/am Tag nach meinem Ertrinken ...“

Das sprechende Ich sagt von sich, es befinde sich „im See“, „direkt unter der Oberfläche“. […]

Das Gedicht endet schließlich mit:

aber wenn du lange genug hinschaust, wirst du
mich sehen können.
)“

Wenn die Dichterin zunächst eine offensichtlich unwesentliche Information wie „(Balsam- oder Fichtenzweige)“ in Klammern setzt, so ändert sich das im weiteren Verlauf des Gedichts, wo die Klammer dann etwas später die allerwichtigste, bereits mit Spannung erwartete Information über das im Titel des Gedichts angekündigte Subjekt der Fotographie enthält. Diese Einklammerung der zentralen Mitteilung macht das Gedicht zu einer veritablen Inkarnation der Unsichtbarkeit der Ich-Erzählerin. Ihre Erfahrung von Nichtgesehenwerden und Zweitrangigkeit wird dabei durch eine dreifache Symbolisierung bekräftigt, i.e. sie tritt im Gedicht als ertrunkenes Objekt im Hintergrund einer verblichenen Fotographie in Erscheinung. Das emotionale Gewicht wird von der Einklammerung getragen und dem Leser in erster Linie dadurch vermittelt und weniger durch die verwendeten Worte, die eher banal anmuten.

Wir fühlen uns nicht gesehen. Aber sonst ist alles in Ordnung.

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