Der Begriff Selbstobjekt geht auf Heinz Kohut (1913–1981) zurück, in dessen Selbstpsychologie er ein wesentliches Element zur Bildung und Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls eines Individuums darstellt.
Der Begriff eines „Selbstobjekts“ mag auf den ersten Blick als in sich widersprüchlich angesehen werden, da wir unter einem „Objekt“ häufig einen Gegenstand verstehen, wie er uns durch die Sinneswahrnehmung in der Außenwelt vermittelt wird. Die Vorstellung eines Innenraums des eigenen Selbst erscheint als unverträglich mit der Bildung eines Kompositums aus „Selbst“ und „Objekt“. Karl Jaspers (1883–1969) hat den Begriff der Subjekt-Objekt-Spaltung geprägt, wie er für das Alltagsverständnis grundlegend ist und die Trennung beider Bereiche voraussetzt.[2][3]
Für Wolf (1988)[4], einen Schüler Kohuts, ist das Selbst eine „Metapher“, die die „psychische Organisation“ abbildet und die durch die Selbsterfahrung, die „Selbstobjekterfahrung“ (englisch selfobject responses oder self object experiences) sukzessive entsteht. Ein neugeborenes Kind benötigt den Austausch mit einem realen, versorgenden Objekt das zu einer „Strukturierung des Selbst“ führt. Wolf beschreibt jedwede Erfahrung die ein Selbst zu strukturieren vermag oder aber die, die Entwicklung eines Selbstseins unterhält, als „Selbstobjekterfahrung“.[5]
„(…) Präzise definiert ist ein Selbstobjekt weder das Selbst noch das Objekt, sondern der subjektive Aspekt einer das Selbst unterstützenden Funktion, die durch eine Beziehung des Selbst zu Objekten ermöglicht wird, in der die Objekte durch ihre Gegenwart oder Aktivität das Selbst und das Gefühl des Selbsteins entstehen lassen und aufrechterhalten. Als solche bezieht sich die Selbstobjektbeziehung auf eine intrapsychische Erfahrung und beschreibt nicht die interpersonelle Beziehung zwischen dem Selbst und anderen Objekten. (…); (…) Das Selbst ist der Teil der Persönlichkeit, der ein Gefühl von Selbstsein vermittelt und der sich dadurch entwickeln kann und gestärkt wird, daß er ständig mit Responsivität von Selbstobjekten versorgt wird, die eine dauerhafte Matrix von Selbstobjekterfahrungen zur Verfügung stellen.“
– Ernest Simon Wolf: Theorie und Praxis der psychoanalytischen Selbstpsychologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-58211-9, S. 226; 60
Es wird zwischen „kohärenten“ und „fragmentierten Selbstzuständen“ unterschieden, je nachdem ob, die Erfahrungen mit den „äußeren Objekten“ zu einer stabilisierenden Form des Selbst führt, zu einer stabilen Kohäsion oder eine Regression mit einer graduellen Desorganisation des Selbst eintritt. Kohut differenziert im Wesentlichen zwei Hauptformen der Selbstobjekterfahrung[6] die „spiegelnden Erfahrungen“ („Größen-Selbst“) und die „idealisierenden Erfahrungen“ („idealisierte Elternimago“), er nennt dies das „bipolare Selbst“.[7][8][9]
Für Kohut sind die Objekte oder Objektrepräsentanzen, die als Teil des eigenen Selbsts erlebt werden als Selbstobjekte aufzufassen. Hingegen gilt für die „echten Objekte“, dass sie vom eigenen Selbst als getrennt erfahren werden.[10] Er unterschied hauptsächlich zwei Formen von Selbstobjekten:[1]
- spiegelnde Selbstobjekte
- idealisierte Selbstobjekte
- Zu 1. Das Selbstwertgefühl eines Menschen entsteht, wächst und stabilisiert sich durch die Erfahrung von Anerkennung, Bestätigung, Zuwendung oder Bewunderung. Objekte, die einem Individuum derartige positive Erfahrungen ermöglichen, nennt Kohut Selbstobjekte. Dies sind zuallererst Personen; aber auch Gegenstände oder Symbole wie beispielsweise Urkunden, Ehrungen usw. können Selbstobjektfunktion für das Selbst eines Menschen entfalten. Hierbei handelt es sich um spiegelnde Selbstobjekte nach Kohut. Das sich hierbei ausbildende Selbstbewusstsein des Kindes nannte Kohut das Größen-Selbst, da das Kind offensichtlich die von außen erhaltene Zuwendung als Steigerung seiner Größe und Vollkommenheit wahrnimmt bzw. da durch diese positive Spiegelübertragung Gefühle von Lebenskraft, Unfehlbarkeit und Allmacht aktiviert werden (Primärer Narzissmus nach Sigmund Freud). Die Bezeichnung der Spiegelung in der Psychologie wurde bereits vor Heinz Kohut von Jacques Lacan (1901–1981) zur Kennzeichnung eines frühkindlichen Entwicklungsstadiums verwendet. Der Begriff der Spiegelung geht auf den antiken Mythos von Narziss zurück.[11]
- Zu 2. Umgekehrt kann auch das Kind ähnlich positive Gefühle auf seine Umgebung übertragen, da es die das eigene Selbst bestätigenden Bezugspersonen ebenfalls als übermächtig und unfehlbar idealisiert und zu ihnen aufblicken möchte. Hierbei handelt es sich um idealisierte Selbstobjekte nach Kohut.[11]
Obwohl die Anwesenheit von verlässlichen Selbstobjekten insbesondere in der Kindheit zum Aufbau eines stabilen Selbstwertgefühls unerlässlich ist, bleibt ein Mensch auch danach sein Leben lang angewiesen auf eine „Matrix“ von Selbstobjekten. Er braucht Selbstobjekte für sein psychisches Überleben, so wie er Sauerstoff für sein physiologisches Überleben braucht.“[12]. Selbstobjekte dienen mit anderen Worten zeitlebens der Aufrechterhaltung der narzisstischen Homöostase eines Individuums.
Da es im Grunde weniger die Objekte an sich sind, die das Selbstwertgefühl eines Subjekts beeinflussen, sondern vielmehr deren Funktion, nämlich dem Individuum selbstwertrelevante Erfahrungen zu ermöglichen, verwendet Kohut in seiner Theorie vorwiegend die Begriffe Selbstobjekt-Funktion oder Selbstobjekt-Erfahrung und seltener den (vereinfachenden) isolierten Begriff des Selbstobjekts.