Frühling

Der Frühling ist keine Zeit für faule Kompromisse und laue Entscheidungen.

Es folgt mein kleines Gespräch mit dem Psychotherapeuten Wolfgang Krüger, der selbst in zweiter Ehe glücklich verheiratet ist.

WELT: Herr Krüger, beobachten Sie mehr Trennungen im Moment?

Wolfgang Krüger: Ja, denn es gibt mehrere Faktoren, wieso sich momentan viele Paare trennen. Zum einen das Ende der Pandemie: Es herrscht seit ungefähr drei Monaten bei vielen Menschen die Grundüberzeugung, dass Corona vorbei ist – und dann und wann trennt man sich. In Krisenzeiten trennen sich Menschen eher nicht, obwohl die Beziehung bereits geschwächelt hat. Die meisten Beziehungen funktionieren einigermaßen gut, solange man sich aus dem Weg gehen kann. Während der Pandemie wurde das auf die Probe gestellt. Ein Teil der Paare weiß jetzt, dass es gut zusammengehört – und der andere Teil, dass es leider nicht so ist. Aber man trennt sich in Krisenzeiten nicht. Aber es gibt noch einen Faktor.

WELT: Lassen Sie mich raten: Es liegt auch am Frühling, oder?

Krüger: Genau, denn ein weiterer Grund ist die Jahreszeit. Der Frühling war schon immer die Zeit der Lebensveränderungen. Wir sind voller Hormone, wir genießen die Sonne und das Licht draußen, die Natur führt uns vor Augen, dass Leben aus Wachstum und Veränderungen besteht. Das alljährlich zu erleben, führt zu dem Gefühl der Lebendigkeit, wir haben Lust auf Veränderungen. Und in dem Augenblick sind die ganzen Paare, die lauwarme Beziehung haben, die, wo sie wirklich nur halb zufrieden sind. Da beginnt man dann zu sagen, „Jetzt, jetzt trenne ich mich!“ – das ist der Zeitgeist der Erneuerung.

Wetter macht Liebe:

„Die durchgreifende Wirkung der körperlichen Reaktionen bei Sonnenschein auf das Sozialleben haben zahlreiche Studien enthüllt: Menschen werden spendabler, sind hilfsbereiter, schwache Schüler haben bessere Chancen, an Unis angenommen zu werden, und vieles mehr. Auch Flirts versprechen mehr Erfolg bei Sonnenwetter. Französische Forscher hatten im Experiment einen attraktiven 20-jährigen beauftragt, Frauen im Alter von 18 bis 25 nach ihrer Telefonnummer zu fragen.
Sein Erfolg schien vom Wetter abhängig: Bei Sonnenschein gaben 22 Prozent ihre Nummer heraus, an bewölkten Tagen nur 14 Prozent. Die Tagestemperaturen lagen in allen Versuchen jeweils zwischen 18 und 22 Grad. Weil Dutzende weiterer Faktoren das Flirten beeinflussen, lasse sich die Wirkung des Wetters zwar nicht eindeutig beweisen, betonen die Forscher – indes liege ein Zusammenhang nahe.“

Der sonnenbefeuerte Überschwang hat viele Gründe:

– Licht unterdrückt die Produktion des Hormons Melatonin, das den Schlafrhythmus regelt. Dafür steigert die Frühlingssonne den Pegel des sogenannten Glückshormons Serotonin im menschlichen Körper. Es fördert Wachheit, innere Ruhe und Zufriedenheit – und dämpft Angstgefühle und Kummer.
Kurzum: Die Laune verbessert sich. Höhere Gelassenheit kann bei Männern den Samenerguss hinauszögern, was das Liebesleben zusätzlich anheizt.
– Intensive Sonnenstrahlung setzt in der Haut Beta-Endorphin frei, das schmerzlindernd und euphorisierend wirkt – es kann sogar süchtig machen.
– UV-A-Wellen der Sonne dringen tief in die Haut, wo sie die Freisetzung von Stickstoffmonoxid beschleunigen. Dem Stoff werden regelrechte Wunderwirkungen zugesprochen: Er begünstigt die Heilung von Wunden, könnte als Waffe gegen
Pilze, Bakterien und Krebszellen dienen – und fördert die Erektion. Außerdem senkt Stickstoffmonoxid den Blutdruck, mithin das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen.
– Frauen profitieren in der Sonne von der vermehrten Ausschüttung des Hormons MSH (Melanozyten-stimulierendes Hormon). Es sorgt für Bräunung und damit für den Schutz
der Haut – und es fördert die Lust auf Sex.

WELT: Der Aufbruch der Natur kann also zum inneren Antrieb werden? Oder ist es eine eher billige Ausrede vor dem Partner?

Krüger: Sagen wir so: Aufgeschobene Trennungen, aus welchen Gründen auch immer, die gibt es das ganze Jahr. Vor ein paar Jahren gab es eine Trennungswelle bei Paaren, die rund 20 Jahre zusammen waren. Wieso? Weil sich Einstellung des „zusammen bis zum Tod“ verändert hat. Man bleibt nicht mehr bedingungslos zusammen, sondern ändert sein Leben um die 50 noch mal, wenn die Ehe am Ende ist. Das habe ich selbst erlebt und bin heute glücklicher als je zuvor. Das bei Freunden zu erleben, kann das eigene Leben und die Lebensplanung korrigieren – und Mut machen.

WELT: Viele sind dann erst mal Single, was ja auch kein schlechter Lebensentwurf ist. Er wird nur oft stigmatisiert oder mit Mängeln verbunden.

Krüger: Oh, grundsätzlich bin ich der Meinung, dass das Singledasein auch Vorteile bietet. Man ist oft viel selbstständiger und kann besser allein sein, oder einsam zu sein. Aber ich halte das Modell Partnerschaft dennoch für etwas, was uns im Leben glücklicher macht. Das bestätigen auch Studien, nach der 90 Prozent der Deutschen sagen, dass sie in einer Liebesbeziehung glücklicher sind – sofern es eine gute Partnerschaft ist.

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