Emotionen drücken aus und erzeugen, wie wir (uns) fühlen und darum ist es sinnvoll seine Emotionen regulieren zu können. Wie gut kann das klappen?
Emotionen haben ja eher den Charakter des Wassers im Meer, dem sie in archetypischen Bildern auch zugeordnet werden. Sie kommen und gehen, sie stoßen uns zu und man kann nicht mal eben so anders empfinden, als man gerade empfindet. Wir sind es gewohnt Gedanken und Gefühle oder auch Kognitionen und Emotionen zu unterscheiden, nicht selten so sehr, dass man meint sich für ein Lager entscheiden zu müssen. Für die einen ist der Mensch dann ein ganz rationales Wesen und der Verstand bestimmt alles, für die anderen bestimmen die Emotionen wohin die Reise geht, der Verstand darf nur die Koffer packen.
Andere Kulturen sehen das ganz anders und viel weniger getrennt. Ebenso wie eine andere Unterscheidung, die zwischen Natur und Kultur oder auch Genen und Umwelt oder Erziehung. Auch diese sind ineinander verlaufen wie Milch und Kaffee und nie wieder zu trennen. Verwobene Muster in die auch Emotionen eingearbeitet sind.
Das passiert mir nie wieder
Menschen schneiden sich auf unterschiedliche Art und Weise ab von ihren Emotionen. Manchmal nach einem enttäuschenden Erlebnis. Wie neulich beim Fußball: Der BVB war kurz davor deutscher Meister zu werden, die Vorfreude war groß und dann … verpasst, alles vorbei. Wir können das aus der Liebe kennen, wenn wir unglücklich verliebt sind oder aus dem Geschäftsleben, wenn wir ein Start up Projekt gegründet haben, mit Herzblut dabei sind und scheitern.
Manche zieht das runter und sie beschließen, dass ihnen das nie wieder passiert. Das kann mit alten Glaubenssätzen verknüpft sein, sich nur ja nie zu viel und zu sehr zu freuen, weil man meint, dass dies immer irgendwie ausgeglichen wird. Auf große Freude hat also großes Leid zu folgen. Daher freut man sich nicht mehr und meint so Leid zu vermeiden. Oder man schneidet die emotionalen Spitzen ab, gemäß der inneren Rechnung, dass der geringe Ausschlag in Richtung Freude auch zu einem geringen Ausschlag zum Leid hin führt. Man glaubt dann nicht so tief zu fallen.
Die Rechnung geht nicht auf, man ist nicht unbedingt besser drauf, wenn man sich von seinen Emotionen abschneidet, denn Optimisten sind immer gut drauf, recht unabhängig von den äußeren Ereignissen. Sie freuen sich über alles und wenn was misslingt darüber, dass sie etwas lernen konnten. Aber das zeigt immerhin, dass man seine Emotionen regulieren kann und das sogar mehr oder weniger selbst.
Affekte, Emotionen, Stimmung und Gemüt
Im Grunde bilden auch Emotionen kein einheitliches Ganzes, man kann sie theoretisch, wenn unterteilen. Die Affekte oder Basisemotionen sind uns angeboren, man schätzt dass es fünf bis sieben sind, plus sexuelle Erregbarkeit, die ständig unterschlagen wird. Mit der Zeit entwickeln sind komplexere, sekundäre Emotionen, bei denen bereits Gedanken mit eingewoben sind. Wut ist ein primärer Affekt, ebenso so Angst, doch Kränkung wird als Ärgernis mit Traurigkeit verbunden bezeichnet und auch Reue ist ein komplexes Gefühl.
Die Verbundenheit von Emotionen und Gedanken erlebt man auch beim Katastrophisieren, wobei sich negative Gedanken und Emotionen wechselseitig verstärken. Wenn Affekte auch teilweise schnell kommen und gehen, komplexere Emotionen vielleicht etwas länger bleiben, so gibt es zudem noch die Stimmung oder Gestimmtheit, die einen emotionalen Hintergrund bildet. Sie stellt die Begleitung und Untermalung all dessen dar, was sich innerlich abspielt.
Aber eben nicht nur innerlich, Emotionen verbinden uns, wir spüren die Stimmung anderer, ihre Emotionen reißen uns manchmal mit. Das kann uns schon dabei helfen, zu verstehen, wie wir unsere Emotionen regulieren. Denn, wenn es auch keinen kurzfristigen Schalter gibt und vermutlich auch gar nicht geben muss, so kann man doch seine längerfristige Stimmung beeinflussen und vielleicht zu einem generellen Gemüt ausbauen, eben weil unsere Emotionen vielfältig verflochten sind, mit diesem und jenem aus Innen- und Außenwelt.
Zwei Arten Lerneffekte
Die einen lernen, wenn sie eine bestimmte Situation kommen die euphorisch beginnt und dann schlecht endet offenbar, dass auf eine schöne Situation eine schlimme folgen muss. Andere hingegen lernen daraus, dass bestimmte Aktivitäten mit tollen Emotionen verbunden sind und rechnen die Folgen offenbar nicht automatisch dazu.
Das kann die erste Gruppe nun dazu bringen, nur nie wieder ein gewagtes Projekt zu starten oder sich nur wie wieder zu verlieben, weil man ja weiß, wie es ausgeht, die anderen hingegen dazu, diese Dusche euphorischer Gefühle immer wieder zu suchen. Das eine kann depressiv, das andere suchthaft enden, aber natürlich gibt es eine breite Mitte, in der sich beide Komponenten mischen, die nicht pathologisch ist.
Daran kann man schrauben, indem man versucht herauszufinden, wer man eigentlich ist.
Was brauchen und mögen Sie? Finden Sie es heraus
Was versetzt Sie eigentlich in welche Gefühle oder Stimmungen? Meistens kennt man einiges sehr gut. Manche Musik, Filme, das Lieblingsessen schaffen es bestimmte Wohlgefühle auszulösen. Aber schon bei Begriffen oder Gesten kann das funktionieren, nennt sich Priming.
Natürlich kann man auch in aggressive oder traurige Stimmung geraten, man kann aber auch eine bestimmte Dosis Melancholie durchaus genießen, Humor kann gute Laune machen, aber alberne oder platte Witze können auch nerven. Manche müssen sich körperlich auspowern, dann ist die Welt wieder in Ordnung, andere schreiben Gedichte oder rufen die beste Freundin an und reden sich die Seele frei. Wann brauchen Sie Aktivität, Kreativität, Gespräche, Ruhe oder einfach ein Bett oder Bad?
Was erregt Sie, was beruhigt Sie und zu welchen Gefühlen haben Sie einen guten und zu welchen eher eine schlechten Zugang? Die einen mögen Licht und Weite, andere fühlen sich eher in einer kleinen, dunklen Höhle daheim. Malen, schreiben, tanzen, was tut Ihnen gut, was bringt Sie vor allem in welche Stimmung? Sind es eher anderen die Sie positiv oder negativ beeinflussen können oder ist Ihre Stimmung von anderen eher nicht erreichbar?
Warum machen Sie das nicht? Finden Sie es heraus
Wenn Sie wissen, was und wer Sie in welche Stimmung versetzt, können Sie dies zum Emotionen regulieren benutzen. Es ist irgendwie eine deutsche Eigenart, darüber lieber zu lesen, als es zu tun. Manchmal ist es aber auch so, dass man meint, es nicht verdient zu haben, dass es einem gut geht. Man fühlt sich irgendwie bestraft durch schlechte Stimmung, mutmaßt, dass man daher auch schuldig und ein schlechter Mensch sein muss oder umgekehrt, fühlt sich schuldig und denkt, die Strafe käme zurecht, man sei einfach ein schlechter Mensch. Ein depressives Muster, schwer aufzulösen, weil depressive Menschen manchmal dazu neigen – aus empfundener Schuld – das nicht zu machen, was ihnen hilft. Auch Therapien werden abgebrochen, nicht weil sie nicht helfen, sondern dann, wenn und weil sie helfen. Sie meinen, sie hätten es nicht verdient, so bleibt das depressive Muster stabil.
Manchmal sind es Glaubenssätze, das sind weniger stabile Muster. Sie wurden oft gehört und nie hinterfragt: Ist es denn wirklich zwingend, dass auf schöne Erlebnisse ein Absturz folgen muss? Wie gesagt, bei notorischen Optimisten ist das nicht so, die machen aus allem das beste. Geht also. Tiefe Melancholie kann man auch genießen, muss man dann aber auch, wenn es nur noch Quälerei ist, sollte man etwas dagegen tun und das kann man in überragend vielen Fällen.
Die Idee, dass man glaubt, es gäbe bestimmt viele tolle Hilfsangebote, nur leider bin genau ich die Ausnahme von der Regel, mir kann niemand helfen – alles zu komplex, zu verkorkst, zu aussichtslos – ist bei der oder dem Erlebenden schon echt, man empfindet wirklich so. Aber gleichzeitig haben sehr viele Menschen genau dieses Gefühl, das ausgerechnet ihnen nicht geholfen werden kann. Doch. Diese Denkmuster und diverse Mechanismen der Selbstsabotage sind bekannt und man kann sie oft hinter sich lassen. Manchmal braucht man dazu therapeutische Hilfe.
Aber wenn Sie wissen, was Sie mögen und was Sie in welche Stimmung versetzt und dann noch, warum Sie das eigentlich nicht machen: Faulheit, ich habe es nicht verdient, ich bleibe nicht am Ball … dann wissen Sie zumindest schon, was Sie ändern können.
Zwei Arten der emotionalen Regulation
Man kann im Prinzip zwei gegensätzliche Probleme mit seinen Emotionen haben. Man fühlt zu viel oder zu wenig.
Wenn man zu viel fühlt, ist man schnell gestresst und von Außenreizen oder Ansprüchen andere überfordert. Man erlebt sich als nervös und dünnhäutig und dem Druck von vielen Eindrücken ausgesetzt. In manchen Fällen fühlt man sich sogar völlig überflutet und bekommt immer wieder Angst vor dem, was für andere normale Alltagssituationen sind. Hintergrund ist hier manchmal eine Ich-Schwäche, aber auch die kann man überwinden, manchmal mit und manchmal ohne Hilfe.
Wenn die Emotionen toben ist es grundsätzlich gut mehr Struktur in sein Leben zu bringen, genau das mag man aber oft nicht, man sucht die Reize, auch weil man innerlich oft unter Hochspannung steht. Da braucht es nicht viel bis man mit massiven Emotionen konfrontiert ist, als Reaktion auf überfordernde Eindrücke. Die können manchmal massiven Ausbrüche führen die Umgebung natürlich wieder dazu bringen, dass sie Druck ausübt, so eskaliert das Spiel dann manchmal. Dabei ist es gut, immer wieder im Hier und Jetzt anzukommen und sich auf einzelne Reize zu konzentrieren. Näheres haben wir in Psychologische Selbsthilfe und Spirituelle Selbsthilfe ausgeführt. Bei echten Borderline-Strukturen ist eine Therapie ratsam.
Wenn man zu wenig fühlt, ist das nicht weniger mit Leid behaftet. Bei schweren Depressionen geht das so weit, dass man gar nichts mehr fühlt und dabei braucht man Hilfe und hat alles Recht der Welt, diese in Anspruch zu nehmen. Eine andere Art wenig zu fühlen ist schwerer zu finden, weil sie manchmal maskiert auftritt. Manche Menschen nehmen nicht die ganze Breite der Emotionen wahr, sondern nur einige wenige und wie zum Ausgleich, müssen diese dann oft besonders grell und extrem sein. Man hat das Gefühl ganz besonders zu empfinden, so dass die anderen das gar nicht nachvollziehen können, so intensiv, so tief. Nicht selten eine Kompensation, da man sich an vielen Gefühlen nicht beteiligen kann, man erlebt sie nicht.
Die eine Gruppe muss also den Schlüssel finden, um die Tür zu machen zu können, die andere braucht ihn, um sie zu öffnen.
Wie stehen die Chancen sich zu ändern?
Durchaus gut. Zwar wird immer wieder auf die Bedeutung von Genen auf unsere Stimmung hingewiesen, aber man weiß ja nie, wo man sich gerade bei einer Entwicklung hin zu tieferen, kontrollierteren oder reicheren Emotionen befindet. Hat man noch einen sehr weiten Weg vor sich oder braucht man nur noch den einen kleinen Stoß und die Veränderung ist da? Fehlen noch 40% oder 2%? Sich in eine Misserfolgsschleife zu bringen, ist keine gute Wahl.
Die Auslöser, durch die man dann aufhört zu viel Alkohol zu trinken, beschließt Vegetarier zu werden oder sich um sich selbst zu kümmern sind fast immer hoch individuell. Es sind oft gar keine neuen Informationen, es ist einfach der rechte Zeitpunkt da. Der eine Zeitungsartikel, das Gespräch im passenden Moment, auf einmal ist man offen. Der Inhalt wirkt dann oft seltsam unbedeutend.
Wenn man etwas ändert hat man auch gleich das Gefühl etwas tun zu können und nicht nur Spielball des Schicksals oder Opfer im Leben zu sein. Da die Gedanken nicht gänzlich von Gefühlen getrennt sind, kann man sie ändern, das wirkt auf die Gefühle zurück. Durch Überlegung, Reflexion, auch in dem man sich etwas immer wieder klar macht und nicht nur einmal flüchtig drüber nachdenkt. Man kann Muster die beim Katastrophisieren oder den Glaubenssätzen erkennen und ändern. Man kann bestimmte Empfindungen deuten (lassen) und damit in einen anderen Kontext stellen.
Man kann selber den emotionalen Hintergrund, die Stimmung ändern, wie erwähnt, durch Kreativität. Aktivität, Ruhe, Struktur oder was es auch sei. Auch das Alter spielt eine Rolle, die Lebenserfahrung lässt einen manche Dinge besser einordnen.
Veränderungen und Verbesserungen sind ansonsten keine prinzipiellen Grenzen gesetzt. Manchmal öffnet sich eine Tür und man wird viel emotionaler. Es mag Auslöser geben, aber warum es durch diesen klappte und nicht durch die einer der vielen davor, wird man wohl nie erfahren, aber man merkt, dass etwas anders ist. Auch wenn man sich zunächst noch nicht in der neuen Landschaft auskennt und erst lernen muss, ist das eine beglückende Erfahrung. Wenn Türen sich öffnen. Emotionen sind in erster Linie dazu da erlebt zu werden, man muss sie nicht unbedingt verstehen. Emotionen zu erkennen und Emotionen regulieren, gehen dann dennoch oft Hand in Hand.