Emotionale Reife ist allem voran die Fähigkeit, einem wohlwollenden Umgang mit allen Aspekten unseres Lebens – gerade auch den weniger angenehmen – zu finden. Auch wenn es uns wohl nie gelingen wird, emotional vollkommen reif zu sein, können wir uns zumindest bewusst machen, wie emotionale Reife eigentlich aussieht und uns so selbst immer wieder einen Ruck in die richtige Richtung geben. Unser Blogbeitrag bietet Dir eine Liste aus 26 Punkten, die Dir helfen, die eigene Reife besser einzuschätzen.
- Du erkennst, dass das meiste schlechte Benehmen anderer Menschen eigentlich auf Angst und Sorge zurückzuführen ist – und nicht, wie allgemein angenommen wird, auf Bosheit oder Dummheit. Du bist nicht mehr so verbissen selbstgerecht und hast nicht mehr das Gefühl, dass die Welt nur von Monstern und Narren bevölkert ist. Das macht die Dinge zunächst etwas verwirrender, weniger schwarz-weiß, aber mit der Zeit auch viel interessanter.
- Du lernst, dass das, was in deinem Kopf ist, nicht automatisch von anderen Menschen verstanden werden kann. Leider müssen Absichten und Gefühle mit Worten artikuliert werden. Du siehst ein, dass es nicht fair wäre, sauer auf andere zu sein, weil sie nicht gleich verstehen, was dich beschäftigt, ohne dass du es ihnen zuvor ruhig und klar erklärt hast.
- Du erkennst, dass auch du – oh Wunder – manchmal Fehler machst. Mit großem Mut gehst du die ersten zögerlichen Schritte in Richtung Entschuldigung – jedenfalls ab und zu.
- Du lernst, selbstbewusst zu sein – nicht weil du glaubst, großartig zu sein, sondern durch die Erkenntnis, dass alle anderen genauso blöd, verängstigt und verloren sind wie du. Wir hangeln uns alle so durch’s Leben, und das ist auch in Ordnung so.
- Du leidest nicht mehr am Hochstapler-Syndrom, weil du akzeptieren kannst, dass alle Menschen manchmal vorgeben etwas zu sein, dass sie nicht sind. Wir alle versuchen in unterschiedlichem Maße, eine Rolle zu spielen und unsere Verrücktheiten und launischen Seiten in Schach zu halten.
- Du vergibst deinen Eltern, weil du erkennst, dass sie dich nicht in die Welt gesetzt haben, um dich zu beleidigen. Sie waren einfach nur heillos überfordert und hatten mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen. Deine Wut verwandelt sich hier und da in Mitgefühl.
- Du lernst den enormen Einfluss vermeintlich “kleiner” Dinge auf die Stimmung: Schlaf, Blutzucker- und Alkoholspiegel, Hintergrundbelastung etc. Und deshalb sprichst du nur dann mit deinen Lieben über wichtige, heikle Themen, wenn alle gut ausgeruht sind, niemand betrunken ist, man etwas gegessen hat, nichts anderes einen beunruhigt und sich niemand beeilen muss, um einen Zug zu erwischen.
- Du erkennst, dass Menschen, die dir nahestehen, sich nicht einfach nervig, unangenehm oder nachtragend verhalten, um dich aufzuziehen. Oft wollen sie deine Aufmerksamkeit erregen – auf die einzige Art und Weise, die ihnen bekannt ist. Du lernst, die Verzweiflung hinter den weniger brillanten Momenten deiner Liebsten zu sehen – und an einem guten Tag interpretierst du sie mit Liebe, anstatt sie zu verurteilen.
- Du gibst das Schmollen auf. Wenn dir jemand wehtut, schleppst du die Wut und den Schmerz nicht tagelang mit dir herum. Stattdessen erinnerst du dich daran, dass du bald tot sein wirst. Du erwartest nicht, dass andere wissen, was los ist. Du sagst es ihnen auf direkte Art und Weise, und wenn sie es verstehen, vergibst du ihnen. Und wenn nicht, dann vergibst du ihnen auch, auf eine andere Weise.
- Du erkennst, dass das Leben sehr kurz ist und es deshalb extrem wichtig ist, zu sagen, was du wirklich meinst, dich auf das zu konzentrieren, was du wirklich willst, und deinen Liebsten zu sagen, dass sie dir unglaublich wichtig sind. Am besten jeden Tag.
- Du hörst in so ziemlich jedem Bereich auf, an Perfektion zu glauben. Es gibt keine perfekten Menschen, keinen perfekten Job und kein perfektes Leben. Stattdessen kannst du das wertschätzen, was der Psychoanalytiker Donald Winnicott so vortrefflich als „gut genug“ bezeichnet. Du erkennst, dass viele Dinge in deinem Leben zwar einerseits ziemlich frustrierend sind – aber doch in vielerlei Hinsicht wunderbar gut genug.
- Du erkennst die Tugend darin, den Ausgang der Dinge ein wenig pessimistischer zu sehen – und wirst dadurch ruhiger, geduldiger und versöhnlicher. Du gibst etwas von deinem Idealismus auf, was dich zu einer weitaus weniger unerträglichen Person macht – weniger ungeduldig, weniger starr, weniger wütend.
- Du lernst, dass die Charakterschwächen aller Menschen mit ausgleichenden Stärken verbunden sind. Anstatt ihre Schwächen isoliert zu sehen, betrachtest du das Gesamtbild: Ja, diese Person ist ziemlich spitzfindig, aber sie ist auch wunderbar präzise und ein Fels in der Brandung. Und ja, dieser Mensch ist ein wenig chaotisch, aber gleichzeitig unglaublich kreativ und visionär. Du erkennst (nun voll und ganz), dass es keine perfekten Menschen gibt – und dass jede Stärke mit einer Schwäche versehen ist.
- Du lernst die Tugend des Kompromisses. Du gibst in bestimmten Bereichen nach – und erkennst, dass dich das eher reif als schwach macht. Vielleicht bleibst du vor allem wegen der Kinder mit jemandem zusammen, oder weil du Angst hast, allein zu sein. Du kannst einige Unannehmlichkeiten ertragen, weil du weißt, dass ein reibungsloses Leben eine Illusion ist.
- Du verliebst dich etwas weniger schnell. Es ist irgendwie schwierig. Als du weniger reif warst, konntest du dich im Handumdrehen vergucken. Jetzt ist dir schmerzlich bewusst, dass jeder, egal wie charmant oder erfolgreich er auch sein mag, aus der Nähe betrachtet ziemlich anstrengend ist. Du entwickelst Loyalität zu dem, was du bereits hast.
- Du lernst, dass es – überraschenderweise – ziemlich schwierig ist, mit dir zusammenzuleben, und legst etwas von deinem übertriebenen Selbstmitleid ab. Wenn du neue Freundschaften und Beziehungen eingehst, warnst du andere freundlicherweise vor, wie und wann du dich als Herausforderung erweisen könntest.
- Du lernst, dir deine Fehler und Dummheiten zu vergeben, und erkennst, wie unfruchtbar und ichbezogen es ist, sich für vergangene Missetaten runterzumachen. Du wirst dir selbst ein besserer Freund. Natürlich bist du ein Idiot – aber ein liebenswerter, so wie wir alle.
- Du lernst, dass Reife auch bedeutet, Frieden mit deinen hartnäckig kindlichen Anteilen zu schließen, die immer da sein werden. Du denkst nicht mehr, bei jeder Gelegenheit ein Erwachsener sein zu müssen, und akzeptierst, dass wir alle unsere regressiven Momente haben – und wenn der innere Zweijährige sich meldet, begrüßt du ihn großzügig und gibst ihm die Aufmerksamkeit, die er braucht.
- Du erhoffst dir von großen Plänen nicht mehr, dir jahrelang andauerndes Glück zu schenken. Stattdessen genießt du die kleinen Dinge, die gut laufen, und erkennst, dass Zufriedenheit eine Sache des Augenblicks ist. Du freust dich, wenn ein Tag ohne große Mühe vergeht, und interessierst dich mehr für Blumen und den Abendhimmel. Du entwickelst einen Sinn für kleine Freuden.
- Du sorgst dich nicht mehr so sehr darum, was die Leute von dir denken. Du weißt, dass sie meistens mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind und versuchst nicht mehr so sehr, dein Bild in den Augen der anderen zu polieren. Was zählt, ist, dass du und ein oder zwei andere es okay finden, dass du du bist. Du gibst den Ruhm auf und fängst an, dich auf die Liebe zu verlassen.
- Du wirst besser darin, Feedback anzunehmen. Anstatt davon auszugehen, dass jeder, der dich kritisiert, dich demütigen will oder Unrecht hat, überlegst du nun, die ein oder andere Anregung aufzunehmen. Du erkennst, dass du Kritik anhören und sie überleben kannst – ohne deine Rüstung anziehen und leugnen zu müssen, dass es jemals ein Problem gab.
- Du erkennst, dass deine Probleme im Alltag oft zu präsent sind, und erinnerst dich mehr und mehr daran, durch Abstand eine neue Perspektive auf sie zu gewinnen. Du machst mehr Spaziergänge in der Natur, schaffst dir vielleicht ein Haustier an (die machen sich nicht so viele Sorgen wie wir), und lernst die fernen Galaxien über uns am Nachthimmel zu schätzen.
- Du lässt dich nicht mehr so schnell vom schlechten Verhalten anderer Menschen triggern. Bevor du wütend, oder gereizt wirst, hältst du inne und fragst dich, was sie wirklich gemeint haben könnten. Du erkennst die Diskrepanz zwischen dem, was jemand sagt, und dem, was wir häufig hineininterpretieren.
- Du erkennst, wie prägende Erfahrungen aus deiner Vergangenheit, deine Reaktionen auf Ereignisse beeinflusst – und lernst, die daraus resultierenden Verzerrungen zu kompensieren. Du akzeptierst, dass du aufgrund deiner Kindheit eine Neigung hast, in bestimmten Bereichen zu übertreiben. Du bist misstrauisch gegenüber deinen eigenen ersten Impulsen zu bestimmten Themen. Du erkennst – manchmal -, dass du nicht zu deinen Gefühlen passt.
- Du erkennst, dass deine Freunde nicht unbedingt nur an deinen guten Nachrichten interessiert sind, sondern vor allem einen Einblick in deine Probleme und Sorgen gewinnen wollen, sodass sie sich mit den Schmerzen ihres eigenen Herzens weniger allein fühlen. Du wirst ein besserer Freund, weil du verstehst, dass es bei Freundschaft eigentlich um das Teilen von Verletzlichkeit geht.
- Du lernst, deine Ängste zu beruhigen, aber nicht indem du dir sagst, dass alles in Ordnung sein wird. In vielen Bereichen wird es das nicht. Doch du erkennst immer mehr, dass es kein Weltuntergang ist, wenn Dinge schief gehen – dass es immer einen Plan B gibt, dass immer ein paar freundliche Seelen zu finden sind und dass die schrecklichsten Dinge am Ende erträglich sind.