Weisheit – Kompetenz im Menschsein

Weis·heit /Weísheit/ Substantiv, feminin [die] 1. [ohne Plural] durch Erfahrung gewonnene Lehre »göttliche Weisheit« 2. durch Lebenserfahrung, Abgeklärtheit gewonnene innere Reife »eine alte chinesische Weisheit«

Was unterscheidet einen intelligenten von einem weisen Menschen?

Wenn man unter Intelligenz ein hohes Maß bestimmter geistiger Fähigkeiten versteht, so sagt dies nichts darüber aus, ob man damit auch ein gutes Leben führt. Das aber zeichnet einen weisen Menschen aus. Weisheit ist Lebensweisheit. Diese setzt nicht notwendig Scharfsinn oder Bildung voraus. So zählte Platon einen einfachen Landwirt namens Myson zu den „Sieben Weisen“, und ich denke, er tat dies, um genau darauf aufmerksam zu machen. Wir können auch durch Lebenserfahrung, durch Wachheit für uns selbst, für die anderen, für die Welt und die Natur viel für eine weise Lebensführung lernen. Zu viel Scharfsinn kann auch den Blick für einfache Wahrheiten und die natürlichen Quellen der Lebensfreude verstellen. „Unterdrückt die Bildung die Natur, ist man eine Schreiberseele“, meinte Konfuzius. Um wertvolle Einsichten im Alltag umzusetzen, ist schließlich mehr nötig als Intelligenz, etwa beharrliches Einüben des Gelernten und Konsequenz, Selbstkritik, Kraft und Wille zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung, manchmal auch Selbstüberwindung. „Die Dauer ist die Art des Weisen“, heißt es im chinesischen Yijing, dem „Buch der Wandlungen“.

Menschen streben nach Weisheit. Bereits Jahrtausende vor den antiken griechischen Philosophen fragten sich die Bewohner des Vorderen Orients, was Weisheit ist und was ein weises Leben ausmacht. Einige ihrer Überlegungen hielten sie auf Tontafeln fest, die bis heute überdauerten. Seit etwa vierzig Jahren erforscht auch die Psychologie Weisheit. Statt Tontafeln bevorzugt sie Handbücher, um dort Einsichten wie die folgenden festzuhalten.

1. Weises Denken

Der deutsche Psychologe Paul Baltes (1939–2006) und seine Kollegen und Kolleginnen am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gelten als die Pioniere der Weisheitsforschung. Sie definieren Weisheit als „Expertenwissen in Bezug auf die fundamentalen Tatsachen des menschlichen Lebens“. Und wie macht sich dieses Expertenwissen im Alltag bemerkbar?

Ein weiser Mensch setzt sich sowohl mit kleinen Problemen als auch schwierigen Lebensfragen überlegt auseinander. Er verlässt sich dabei auf Einsichten aus seinen früheren Erfahrungen und auf das Wissen, das er im Laufe seines Lebens gewonnen hat. Außerdem betrachtet er eine Situation aus verschiedenen Perspektiven. Auch lässt eine weise Person andere Meinungen und Überzeugungen neben der eigenen zu. Sie kann auch zugeben, wenn andere im Recht sind und sie selbst falsch liegt. Ein weiser Mensch weiß also um seine Grenzen – und akzeptiert sie. Weisheit ist in tiefgehender und anhaltender Selbstreflexion verwurzelt.

2. Weises (Mit-)Fühlen

„Weise Menschen sind sich ihrer Emotionen bewusst.“ Das schreibt Judith Glück von der Universität Klagenfurt. Weise Menschen verdrängen ihre Emotionen nicht. Sie setzen sich mit ihnen auseinander – nutzen sie gar als Hinweise und Denkanstöße, etwa um festzustellen, ob sie etwas an ihrem Alltag ändern möchten und wie sie sich verhalten sollten. Weisheit bedeutet auch, wohlwollend gegenüber seinen Mitmenschen zu sein.

„Altruismus und Empathie scheinen eng mit Weisheit verbunden“, sagt Glück. Diese und andere Beobachtungen gewinnen die Forschenden aus Umfragen und experimentellen Studien. Sie konfrontieren ihre Freiwilligen beispielsweise mit heiklen Szenarien wie diesem: Eine Fünfzehnjährige möchte von daheim ausziehen – was könnte man bedenken und tun? Die Freiwilligen denken laut über die fiktive Herausforderung nach. Die Forschenden werten dann diese Denkprotokolle nach vorher fest­gelegten Kriterien aus.

3. Weisheit und Alter

Es gibt extravertierte und introvertierte, verträgliche und rücksichtslose Menschen – aber gibt es auch einen weisen Persönlichkeitstypus? Das scheint eher nicht der Fall zu sein. Lebenserfahrung ist grundlegend für ein weises Denken und Handeln. Deshalb scheint Weisheit eher eine Eigenschaft, die man im Laufe seines Lebens allmählich entwickelt. Die meisten von uns betrachten Menschen von 50 bis 70 Jahren am ehesten als weise. Aber nicht jede Person wird es mit dem zunehmenden Alter tatsächlich.

Zu den von der Forschung ermittelten Faktoren, die die Entwicklung zu einem weisen Menschen begünstigen, zählen die allgemeine und die soziale Intelligenz und die Offenheit für neue Erfahrungen. Diese drei fördern die Selbstreflexion und den Erfahrungsschatz. Auch der Beruf scheint eine Rolle zu spielen: Wer dort anderen als Mentorin oder Mentor beiseitesteht oder einer ähnlichen sozialen Tätigkeit nachgeht, entwickelt häufiger Weisheit.

4. Weisheit und Kultur

Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen teilen im Großen und Ganzen dieselbe Vorstellung von Weisheit. Aber Forschende dokumentieren auch kleine Unterschiede: Je nach Tradition wird eine andere Facette der Weisheit hervorgehoben. Grundschulkinder im Iran und in Österreich empfinden weise Menschen als klug und gutherzig. Aber im Gegensatz zu den österreichischen erwähnten die iranischen Kinder, dass Weise sich an Normen und Regeln halten. In einer anderen Studie betonten jüdische Teilnehmer und Teilnehmerinnen, dass ein weiser Mensch viel weiß, während muslimische Freiwillige eine weise Person häufiger als fürsorglich beschrieben.

Solche feinen Unterschiede werden unter anderem mithilfe vielschichtiger Fragebögen ermittelt. Die Forscherinnen und Forscher wollen von den Befragten beispielsweise wissen: Wen würden Sie als weise bezeichnen? Welche Eigenschaften assoziieren Sie mit Weisheit? Wann haben Sie selbst sich weise verhalten? Wen halten Sie für weise und wieso? Forschende stellten diese Fragen unter anderem auch Menschen in Uganda, die in ihrem Leben immer wieder mit lebensbedrohlichen Situationen wie Ernteausfällen und Hungersnöten konfrontiert werden. Für diese Befragten ist ein weiser Mensch auch jemand, der seine Familie am Leben halten kann.

5. Weisheit und Wohlbefinden

Weisheit kommt Menschen aber nicht nur in schwierigen Lebenssituationen zugute – sie scheint auch zum Wohlbefinden einer Person beitragen zu können. Dafür haben Forschende mehrere Erklärungsansätze. Beispielsweise wissen weise Menschen ihr Leben womöglich stärker zu schätzen, als es ihre Mitmenschen tun – und empfinden Dankbarkeit, die wiederum das Wohlbefinden fördert.

Die Akzeptanz der Lebenssituation, auch wenn sie bisweilen nicht einfach ist, könnte ebenfalls ein wichtiger Grund für das Wohlbefinden sein: Weise Menschen hadern weniger mit Gegebenheiten, die sie nicht ändern können. Dadurch ersparen sie sich ängstigende und deprimierende Grübeleien, die zu nichts führen.

„Ein anderer Grund für die Zufriedenheit weiser Menschen ist vielleicht das Selbstmitgefühl“, schreibt Monika Ardelt von der University of Florida. Dazu gehört die Erkenntnis, dass Fehlermachen und Scheitern grundlegende Bestandteile des menschlichen Lebens sind. So fällt es weisen Menschen leichter, ein gesundes wie hilfreiches Gleichgewicht herzustellen: Sie machen sich zwar Gedanken über ihre Fehler und Unzulänglichkeiten, ziehen jedoch eine Lehre aus ihnen und akzeptieren sie. So sind sie nicht nur gegenüber künftigen Herausforderungen besser ausgerüstet, sondern in sich selbst gefestigter – und zufriedener.

Gibt es Persönlichkeitseigenschaften, die Weisheit fördern?

Wenn wir die Big Five betrachten – also das Standardmodell in der Persönlichkeitsforschung – muss man dort ganz klar die Offenheit für neue Erfahrungen hervorheben. Sie ist zentral, um Weisheit zu entwickeln. Dabei meine ich aber nicht jede Art von Erfahrung – dazu würde ja auch zählen, dass man es spannend findet, immer neue Speisen auszuprobieren. Sondern es geht im engeren Sinne um Offenheit für Ideen, Erkenntnisse, für die eigenen Gefühle und die der anderen. Die anderen vier Faktoren der Big Five sind rein statistisch weniger oder in den meisten Studien gar nicht in Zusammenhang mit Weisheit gebracht worden, auch die Verträglichkeit nicht. Weise Menschen sind nicht unbedingt viel netter als andere. Aber sie sind eben so offen, dass sie auch andere Perspektiven akzeptieren können.

Jenseits der Big Five glaube ich schon, dass Mitgefühl natürlich eine Rolle dafür spielt, dass man sich nicht nur an seinen eigenen Interessen, sondern am Gemeinwohl orientiert. Je besser ich mich in andere hineinversetzen kann, desto mehr bin ich bereit, über mein eigenes Wohlbefinden hinaus zu handeln.

Ihre Persönlichkeit zur aktuellen Befragung
Ihre Selbsteinschätzung auf fünf Persönlichkeitseigenschaften wurde mit dem BFI-2 Fragebogen (Big Five Inventory) erfasst. Diese fünf Persönlichkeitseigenschaften werden auch Big Five genannt. Sie umfassen die Eigenschaften Verträglichkeit, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit für neue Erfahrungen. Im Folgenden erhalten Sie eine kurze Beschreibung dieser fünf Persönlichkeitseigenschaften.

Extraversion bezieht sich darauf, wie gerne Sie mit anderen Menschen zusammen sind und wie leicht es Ihnen fällt, auf andere Menschen zuzugehen. Personen mit hohen Werten sind eher gesellig, gesprächig, personenorientiert und aktiv. Personen mit niedrigen Werten (Introversion) sind eher zurückhaltend in sozialen Interaktionen, gerne allein und unabhängig.

Verträglichkeit bezieht sich auf das typische Verhalten in sozialen Situationen und beschreibt, inwiefern Menschen eher Harmonie mit anderen suchen oder sich auch mal gegen den Willen ihrer Mitmenschen durchsetzen. Personen mit hohen Werten sind eher kooperativ, freundlich und mitfühlend, Personen mit niedrigen Werten sind eher wettbewerbsorientiert und etwas kritisch.

Gewissenhaftigkeit beschreibt den Grad an Selbstkontrolle, Genauigkeit und Zielstrebigkeit. Personen mit hohen Werten sind eher organisiert, zuverlässig, und planen gerne voraus. Personen mit niedrigen Werten sind eher spontan und unbekümmert.

Neurotizismus bezieht sich auf individuelle Unterschiede im Erleben von negativen Emotionen. Personen mit hohen Werten sind eher emotional, ängstlich, sensibel und verletzlich, während Personen mit niedrigen Werten eher selbstsicher, entspannt und sorglos sind. Eine niedrige Ausprägung von Neurotizismus wird oft auch als emotionale Stabilität bezeichnet.

Offenheit für neue Erfahrungen bezieht sich auf das Interesse an neuen Erfahrungen und Eindrücken. Personen mit hohen Werten sind eher fantasievoll, wissbegierig und experimentierfreudig. Personen mit niedrigen Werten bevorzugen routinierte Tätigkeiten, sind eher konservativ und bevorzugen Bekanntes gegenüber Neuem.
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2 Kommentare

  1. Schau dich an, du bist sehr weise. Doch was für ein elendes Leben du führst. Suchst etwas, was es nicht gibt.
    Wir sind alle auf der Suche.
    Dabei ist das Wahre so nah.
    Wir sind alle gottlos und kommen doch nicht von Gott los.
    ER

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