Das ist der Grund, warum dich Nachdenken müde macht

Nach intensiver Denkarbeit sammelt sich im präfrontalen Kortex des Gehirns Glutamat an

Fühlst du dich nach Situationen, in denen du dein Gehirn richtig auf Touren bringen musstest, so erschöpft, als hättest du ein hartes Work-out hinter dir? Mit diesem Gefühl bist du nicht alleine. Forscher haben herausgefunden, was dahintersteckt.

Auch mentale Arbeit kann anstrengend sein – Schachspieler fühlen sich nach einer stundenlangen Partie beispielsweise auch müde. Wenngleich das Ursachen-Wirkungsprinzip bei harter körperlicher Arbeit offensichtlicher erscheint.

Warum aber ausgerechnet stundenlanges intensives Nachdenken einen Menschen ähnlich auslaugen kann wie der Job eines Handwerkers oder Bauarbeiters, darüber wusste die Forschung bisher wenig.

Doch nun haben Forscher der französischen Universitätsklinik Pitié-Salpêtrière in Paris die mögliche Ursache herausgefunden: Wer über mehrere Stunden intensive Denkarbeit leistet, „vergiftet“ gewissermaßen sein Gehirn. Etwas weniger drastisch drücken die Forscher es in ihrer Studie aus, die sie im Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlichten.

Im präfrontalen Kortex des Gehirns würden sich nach und nach potenziell toxische Nebenprodukte ansammeln, so die Neurowissenschaftler. Dadurch falle es uns schwerer, Entscheidungen zu treffen. Das Gefühl, müde zu werden, schütze uns also indirekt davor, schlechte oder unzureichende Entscheidungen zu treffen – und auch davor, unser Gehirn weiterhin zu „vergiften“.

Du bildest dir die Müdigkeit nach vielem Denken also definitiv nicht ein. Ganz unabhängig davon, was die Müdigkeit verursacht.

Ab und zu eine Pause einzulegen, ist also nicht verkehrt

Vor allem dann nicht, wenn du gerade an einem Projekt arbeitest, das harte Denkarbeit verlangt. Auch wenn die Funktionsweise des menschlichen Gehirns oft mit der eines Computers verglichen wird: Im Gegensatz zur Maschine kann das Gehirn nicht ohne Pause Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen. Das konnte das Team rund um den Verhaltensforscher Antonius Wiehler durch seine aktuelle Studie mit 40 Teilnehmern nachweisen.

Damit konnten sie frühere Studien widerlegen, die zum Teil davon ausgingen, dass sich Menschen mentale Erschöpfung einbilden, wie Co-Autor Mathias Pessiglione in einer Pressemitteilung erklärt: „Einflussreiche Theorien gehen davon aus, dass Erschöpfung eine Art Illusion ist, die vom Gehirn erfunden wird, um uns dazu zu bringen, mit allem, was wir tun, aufzuhören und uns einer befriedigenderen Aktivität zuzuwenden.“

Die Auswertung der Studienergebnisse belege jedoch, dass kognitive Arbeit zu einer echten funktionellen Veränderung im Gehirn führe. „Müdigkeit wäre dann tatsächlich ein Signal, das uns dazu bringt, mit der Arbeit aufzuhören, aber für einen anderen Zweck: die Integrität der Gehirnfunktion zu bewahren“, erklärt der Neurowissenschaftler.

So reagiert das Gehirn auf kognitive Aufgaben

Die Teilnehmer der Studie wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Gruppe eins musste wiederholt anspruchsvolle Denkaufgaben lösen. Gruppe zwei bekam eine leichtere Aufgabe zugeteilt. Während des Experiments, das einen Arbeitstag simulieren sollte, wurde die chemische Struktur des Gehirns mithilfe einer Magnetresonanzspektroskopie (MRS) überwacht.

Dabei stellte sich heraus: Nur in Gruppe eins, also derjenigen, die harte Denkarbeit leisten musste, stellten sich Anzeichen von Müdigkeit ein: Ihre Pupillen weiteten sich, sie konnten sich weniger gut konzentrieren, der Blutdruck sank. Auch fiel es den Teilnehmern dort schwerer, die für die Denkaufgabe benötigten Entscheidungen zu treffen. Bei der Auswertung ihrer MRS-Daten stellten die Forscher fest, dass in den Synapsen des präfrontalen Kortex ein sehr viel höherer Glutamat-Spiegel als zu Beginn des Experiments vorherrschte.

Glutamat hat eine wichtige Funktion im Gehirn

Es ist ein Signalstoff, der dafür sorgt, dass bestimmte Prozesse in Gang gesetzt werden. Zu viel Glutamat kann aber Gehirnzellen schädigen, wie frühere Studien nahelegen. Wer eine Pause einlegt, am besten sogar ein kleines Nickerchen, habe, so die Forscher, gute Chancen, dass die Synapsen im Gehirn das überschüssige Glutamat verstoffwechseln und es so entgiften. Schließlich werden im Schlaf keine neuen Denkprozesse angeschoben, die für einen Glutamat-Nachschub sorgen.

Die Forscher hoffen mit dieser Erkenntnis in Zukunft Krankheitsbilder, die mit chronischer Erschöpfung zusammenhängen (zum Beispiel Burn-out) bereits früh erkennen und behandeln zu können. Weiterführende Studien sollen zudem dabei helfen zu verstehen, warum ausgerechnet der präfrontale Kortex für die Glutamat-Ansammlung anfällig ist. Bis dahin hat Pessiglione noch einen guten Ratschlag für uns alle parat: „Treffen Sie keine wichtigen Entscheidungen, wenn Sie müde sind!“

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