„Ich liebe dich“ – „Ich mich auch“

Ohne den Glanz im Auge der Mutter kann sich das Kind nicht gut entwickeln. "Frau mit Kind" Dix, Otto (1891-1969)

„Ich liebe dich“ – „Ich mich auch“ – Strategische Psychotherapie des narzisstischen Selbstmodus

Ausgehend von einer entwicklungstheoretischen Betrachtung der Persönlichkeit und ihrer Störungen und von einem systemtheoretischen Modell der Persönlichkeitsakzentuierung als „Attraktor“, wird der Begriff des Selbstmodus eingeführt, analog zu den Begriffen des state of mind, Ego-State und Schemamodus. Es wird unterschieden zwischen dem primären Selbstmodus, der alle angeborenen Merkmale und Fähigkeiten für die Lebensgestaltung verfügbar hat und sie in Interaktion mit der Umwelt optimal entwickeln kann und dem sekundären Selbstmodus, der einige dieser Merkmale unterdrücken und andere kompensatorische übermäßig elaborieren muss, um emotional zu überleben. Hinzugefügt wird die Heuristik eines tertiären Selbstmodus, der kognitiv und emotional so reif entwickelt ist, dass er Konflikte zwischen den beiden anderen Selbstmodi immer wieder lösen kann. Dies entspricht einer dialektischen Entwicklung, die darin resultiert, dass ein hoch entwickelter Erwachsener mit einem kindlichen und einem maladaptiven Teil des Selbst gut umgehen kann. In der Psychotherapie ist das der Teil des Selbst, mit dem ein Arbeitsbündnis geschlossen werden kann und muss. Davon ausgehend wird das Verständnis und die Entwicklungstherapie der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und maladaptiver narzisstischer Persönlichkeitszüge dargelegt und diskutiert. Schemaanalyse und Funktionsanalyse münden in die narzisstische Überlebensregel als maladaptiver Systemregel. In der Beziehungsgestaltung wird wesentlich von Kohuts Grundhaltung ausgegangen. Interventionsmöglichkeiten, die diese Entwicklung fördern, werden vorgestellt und diskutiert.

Mutter und Kind, 1895, Maurice Denis

Zu beiden Sätzen („Ich liebe dich“ und „Ich mich auch“) kann man nur achselzuckend sagen: „Schön wär‘s“. Auch wenn Narzissmus als Selbstliebe bezeichnet wird, so handelt der narzisstische Selbstmodus bzw. die narzisstische Störung der Persönlichkeit von Menschen, die es weder schaffen, sich selbst zu lieben, noch eine Beziehung zu Menschen zu bewahren, von denen sie geliebt werden. In den vorigen Beiträgen finden sich schon viele Beschreibungen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Von diesen ausgehend können wir gleich zu einigen ausgewählten Aspekten kommen. Das Beziehungs- und Liebesangebot eines anderen Menschen wird gern angenommen, aber nicht dankbar und nicht Liebe erwidernd, sondern hungrig einverleibt, konsumiert. Liebe erwidern geht nicht. Das macht auch letztlich die innere Einsamkeit aus, zu der sich nach dem Scheitern der Beziehung die äußere Einsamkeit hinzugesellt. Die Tragik der Persönlichkeitsstörung wird uns beim Narzissmus besonders deutlich. Bald müssen wir aber auch erkennen, dass er uns nicht in sein System der Selbst- und Beziehungsregulation hineinlässt. Heute geht die Tendenz der Narzissmus-Psychotherapie weg von Kernbergs Konfrontationsprinzip (1978) hin zu Kohuts (1976) Maxime der Empathie und Responsivität bezüglich der narzisstischen Bedürfnisse. Dies entspricht auch der Grundhaltung von Rogers (1983) und Pesso (2008; siehe auch Schrenker, 2008, und in diesem Buch). Auch Young nimmt bei der Borderline-Behandlung eine ähnliche Haltung ein (vgl. Sulz, 2007a).

Mutter und Kind, Picasso

Pablo Picasso experimentierte in seinen Gemälden mit verschiedenen Stilen und Themen, die die Trends seiner Zeit sowie seine persönliche Stimmung widerspiegelten. Seine „blaue Periode“, die von 1901 bis 1904 dauerte, war von einer tiefen Depression geprägt, die den Künstler dazu führte, düstere Werke darzustellen, die Arme, Kranke und Vertriebene zeigten, aber auch viele Gemälde zum Thema Mutterschaft. Eines dieser Gemälde, das 1901 mit Pastellkreiden entstanden ist, zeigt ein monochromes, in Blautönen gehaltenes Bild, das ein Gefühl von Nostalgie und Melancholie hervorruft.

Das Thema Einsamkeit, Armut und Verzweiflung ist allgegenwärtig. Die Mutter und ihr Baby sitzen auf dem Boden, umgeben von einer leeren blauen Tapete. Trotzdem hält die Mutter ihr Kind fest, denn es ist das Wertvollste, was sie auf der Welt hat. Sie verkörpert Liebe und Mitgefühl. Dieses Werk ist eines der bewegendsten Werke von Picassos „blauer Periode“. Es trägt eine schwere emotionale Last in sich und seine Handlung drückt auf die Psyche. Diese Darstellung der Mutterliebe symbolisiert also die Liebe, die eine Mutter empfinden kann, und wird oft mit dem Muttertag in Verbindung gebracht. Sie wird auch verwendet, um diesen Tag der Liebe und familiären Bindungen zu feiern.

Kohuts Selbsttheorie des Narzissmus

Kohut (zitiert von Lachmann, 2014) erklärt die Entstehung einer narzisstischen Persönlichkeit aus der massiven Frustration zentraler Bedürfnisse in den frühen Eltern-Kind-Beziehungen. Das Kind braucht es, dass seine Mutter mit einem „Glanz in ihren Augen“ auf seinen Stolz und Exhibitionismus antwortet. Dies spiegelt die Bedürfnisse des Kindes nach affektiver Antwort, befriedigt ein zentrales Bedürfnis des Kindes und bestätigt es in seinem Selbstwert und in seiner Sicherheit. Wurde diese Bestätigung in der Kindheit nicht gegeben, so bleibt ein lebenslanges Bemühen um den Beifall der anderen und ein Verletztsein, wenn diese Antworten nicht erfolgen, was die extreme Abhängigkeit des narzisstischen Menschen von der Bewunderung anderer erklärt. Daraus entsteht das grandiose Selbst als innere Struktur, das Verletzbarkeit und Kränkbarkeit zeigt, wenn die benötigte Bewunderung ausbleibt. Das grandiose Selbst mit seinem unstillbaren Bedürfnis nach Bewunderung führt zu einer unentwegten narzisstischen Affektregulation, die zu Problemen in privaten und beruflichen Beziehungen führt. Von anderen Menschen wird verlangt, Selbstobjektfunktion zu übernehmen, also für die Befriedigung derjenigen Bedürfnisse zu sorgen, die selbst nicht befriedigt werden können.

In der Therapie frustriert der Therapeut diese Bedürfnisse nicht absichtlich, sondern es wird dem Patienten langsam möglich, sie in der Übertragung auszudrücken, worauf sie vom Therapeuten empathisch verstanden werden. Sie werden später phasengerecht frustriert und können so allmählich internalisiert werden. Der Therapeut versteht die Notwendigkeit der narzisstischen Bedürfnisse, pathologisiert diese nicht, so dass sie einen Platz im Repertoire des Menschen im Sinne von nützlichen Ambitionen erhalten können. Frustrationen sind in der therapeutischen Beziehung trotzdem unausweichlich. Diese wird dadurch immer wieder sehr strapaziert und oft auch unterbrochen. Gemeinsam wird nach der Ursache gesucht, und das Bedürfnis nach Bewunderung wird als Quelle des Ehrgeizes erkannt.

Mutter und Kind,  Renoir

Das Werk „Mutter und Kind“ von Pierre-Auguste Renoir ist ein Ölgemälde auf Leinwand aus dem Jahr 1881 mit einer Größe von 121 x 85,4 cm. Es wird derzeit in der Barnes Foundation in den USA ausgestellt. Es zeigt eine Szene aus dem täglichen Leben einer Mutter, die ihr Kind in einem bürgerlichen Interieur stillt. Die beiden Hauptfiguren sind mit den typischen Merkmalen von Renoirs Frauen gemalt: Rundungen, Formen und hübsche Gesichter.

Renoirs Gemälde gehört zur impressionistischen Bewegung, die sich durch eine spontane Darstellung des Alltagslebens und der Natur auszeichnet. Obwohl das Werk nicht speziell mit dem Muttertag verbunden ist, wird es aufgrund seines Themas der Mutterschaft oft mit dieser Gelegenheit in Verbindung gebracht. Die sanften und zärtlichen Züge der Mutter und des Kindes zeugen von der Liebe und Zuneigung, die eine Mutter für ihr Kind empfinden kann, und erinnern damit an die unzerbrechliche Bindung zwischen Mutter und Kind, die man am Muttertag feiert. Renoir ist bekannt für seine zahlreichen Gemälde, die Szenen aus dem täglichen Leben darstellen, insbesondere aus der französischen Bourgeoisie, in denen er versucht, die Atmosphäre und Helligkeit des Augenblicks einzufangen. „Mutter und Kind“ ist eines seiner bekanntesten Gemälde zum Thema Mutterschaft und ein perfektes Beispiel für seinen charakteristischen impressionistischen Stil.

Kohut schrieb damals das Spiegeln der Mutter zu und das Bedürfnis, jemand zu idealisieren, dem Vater. Wir folgen zunächst seiner Vereinfachung. Für eine normale Entwicklung muss das Bedürfnis des Kindes befriedigt werden, im idealisierten Reich des Vaters akzeptiert zu sein. Einbezogen in Aktivitäten, die Vaters Stärke, Selbstvertrauen und Einzigartigkeit signalisieren, kann das Kind anfangen, diese Qualitäten in Besitz zu nehmen, und sie werden allmählich fester Bestandteil innerer Ideale. Gelingt es nicht, in Vaters idealisierter Sphäre eingeschlossen zu werden, wird eine andere Struktur gebildet – das idealisierte Eltern-Imago. Das wachsende Kind und später der Erwachsene sucht Menschen, die diese Qualitäten verkörpern, klammert sich an diese, fühlt sich vorübergehend einbezogen, wahrgenommen und akzeptiert. Sie sind seine Quelle des Selbstwerts, zu der sie immer wieder gehen müssen, um sich aus dem unerträglichen Gefühl der Nichtigkeit zu befreien. Immer wieder, weil sie den Selbstwert nicht bewahren können, er ihnen nach kurzer Zeit wieder verloren geht. Somit müssen sie von Neuem aus der Quelle schöpfen. Wahrscheinlicher ist es aber, dass die idealisierte Bezugsperson die narzisstischen Bedürfnisse nicht befriedigt und die Beziehung abgebrochen wird. So bleibt ein immer wieder scheiterndes Suchen nach Quellen des Selbstwerts.

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