Was mich glücklich macht

Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehn, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebensalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken.

Was muss ich tun, wenn ich glücklich werden will? Mich engagieren, mich ins Private zurückziehen? Es gibt sehr unterschiedliche Antworten.

Glücksratgeber gehören seit langem zu den Bestsellern unter den Sachbüchern. Die Auswahl ist fast unüberschaubar: Zahllose Wissenschaftler, Journalisten und selbsternannte Experten haben ihre Weisheiten zu Papier gebracht. Fast muss man die Verlage dafür bewundern, dass es ihnen immer wieder gelingt, neue Titel zu finden. Von Glücksfaktor und Glücksformel über Glückstraining und die Geheimnisse des Glücks bis hin zu Ins Glück stolpern und Angst vor dem Glück scheinen bereits alle denkbaren und undenkbaren Wortschöpfungen vertreten. Literatur, die sich mit der Suche nach einem besseren Leben befasst, ist aber durchaus kein modernes Phänomen. Zu allen Zeiten und in allen Kulturen hat es Menschen gegeben, die Anleitungen zum Glücklichsein fabrizierten.

Was genau kann man aus diesen Glücksratgebern lernen, und wie wirkungsvoll sind die Tipps ?

Das Spektrum der Glücksexperten reicht von den alten chinesischen Philosophen Konfuzius und Laotse über Epikur und Schopenhauer bis hin zu den psychologischen und esoterischen Selbsthilfebüchern unserer Zeit. Dabei orientiert sich die Analyse an drei Leitfragen: Welche Ratschläge werden konkret gegeben? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Vorstellungen des Autors und seinem sozialen, kulturellen und historischen Hintergrund? Werden die Ratschläge durch psychologische Forschung bestätigt?

Konfuzius und Laotse: Glück durch Bildung oder Gesundheit?

Das alte China war eine Hochburg der Philosophie, und die Frage nach einem guten Leben spielte eine wichtige Rolle. Die Antworten von Konfuzianismus und Taoismus, zwei der bedeutendsten Schulen, fielen sehr unterschiedlich aus. Bei Konfuzius drehte sich alles um Tugend und gesellschaftliches Engagement, wie man in seinen Schriften und denen seiner Anhängerinnen und  Anhänger nachlesen kann. Zu einem tugendhaften Leben gehörte neben Mitmenschlichkeit und Familienorientierung vor allem Bildung. Je mehr Wissen ein Mensch habe, so Konfuzius, desto tugendhafter und glücklicher könne er leben. Deshalb sollten Lernen und Reflexion für jeden zum Alltag gehören. Außerdem riet er dazu, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren, denn aktive Mitwirkung, insbesondere wenn sie einer positiven Grundhaltung entspringe, sei für das persönliche Glück zuträglicher als passive Distanz.

Lernen und Reflexion sollten nach Konfuzius für jeden zum Alltag gehören

Taoisten dagegen strebten vor allem nach einem natürlichen Leben. Ihre Gründungsschrift, das Tao-Te-King, betont, dass die Gesetze der Natur übermächtig sind. (Das Werk soll Laotse geschrieben haben, von dem Historiker heute allerdings glauben, dass er eine Synthese mehrerer historischer Figuren ist.) Ihrer Überzeugung nach entsteht Glück nicht dadurch, dass man versucht, das Schicksal zu lenken, sondern indem man darauf verzichtet, die Umstände des eigenen Lebens kontrollieren zu wollen. Menschen sollen die natürliche Ordnung akzeptieren und danach streben, Teil der Natur zu werden. Das heißt zum Beispiel, sich um den eigenen Körper zu kümmern und eine gesunde Lebensweise zu kultivieren. Auf Wissenserwerb, ein reiches Sozialleben und gesellschaftliches Engagement soll man dagegen keine Energie verschwenden.

Die Lehren von Konfuzius und Laotse kann man als unterschiedliche Reaktionen auf die Umstände ihrer Zeit verstehen. Vor zweieinhalbtausend Jahren war China eine feudal aufgebaute Agrargesellschaft. Die Mehrzahl der Menschen lebte in engen Gemeinschaften auf dem Lande, oft unter schwierigen Bedingungen. Die Macht lag in den Herrscherhäusern, wo Fürsten und Könige residierten. Dies war auch der Ort, wo die meisten Philosophen ihren Lebensunterhalt verdienten, indem sie die Regierenden berieten und deren Nachwuchs unterrichteten. Bei ihren Ratschlägen hatten sie also vor allem die Lebensbedingungen und Sorgen der Adeligen im Blick.

Inwieweit werden die Empfehlungen heutigen Umständen gerecht? Zum Beispiel die konfuzianische Überzeugung, dass gebildete Menschen glücklicher sind? Auf den ersten Blick scheinen wissenschaftliche Studien dem chinesischen Weisen recht zu geben. So erreichen Gebildete tendenziell höhere Zufriedenheitswerte als Ungebildete. Jedoch scheint der positive Zusammenhang vornehmlich auf die mittelbaren Vorteile einer guten Ausbildung zurückzugehen (auf gutes Einkommen und höheren Status) und weniger auf die intrinsische Befriedigung, viel zu wissen. Diese Hypothese wird auch von Untersuchungen gestützt, die zeigen, dass Studenten nicht glücklicher als gleichaltrige Berufstätige oder die Gesamtbevölkerung sind. Lernen per se macht also nicht glücklicher. Andersherum wird eher ein Schuh daraus: Glückliche Menschen scheinen wissbegieriger als unglückliche zu sein. 

Aber auch die taoistische Gleichsetzung von Gesundheit und Glück muss man relativieren. Eine gesunde Lebensweise ist durchaus eine wirkungsvolle Glücksstrategie. Menschen, die sich gesund ernähren, auf ihr Gewicht achten, körperliche Symptome ernst nehmen und Sport treiben, sind tendenziell ausgeglichener und zufriedener als Gesundheitsmuffel. Das heißt aber nicht, dass kranke Menschen unbedingt unglücklicher sind. Denn die Lebenszufriedenheit eines Menschen hängt weniger von seiner objektiven körperlichen Verfassung als vielmehr von seinem Empfinden ab. Auch kranke Menschen können sich subjektiv wohlfühlen.

Epikur: Glück durch Bescheidenheit

Der Athener Epikur versprach jedem, der seine Ratschläge befolgte, ein besseres und zufriedeneres Leben. Bereits zu seinen Lebzeiten war er ein berühmter, wenn auch umstrittener Mann, und noch heute zählt sein Name zu den bekannten unter den griechischen Philosophen.

Seine Lehre wird oft mit zügellosem Hedonismus gleichgesetzt. Zu Unrecht: Zwar setzte er durchaus Glück mit Genuss und Lustbefriedigung gleich. Doch trennte er scharf zwischen natürlichen, notwendigen Bedürfnissen wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Sicherheit einerseits und Wünschen, die nicht der Lebenserhaltung dienen, andererseits. Zu Letzteren zählte er Luxusartikel, aber auch Status und öffentliche Anerkennung. Am glücklichsten seien Menschen, betonte er, die ein einfaches Leben führten und sich auf die Befriedigung der Basisbedürfnisse bschränkten. Übermäßiges Genussstreben dagegen könne zu Gier und Abhängigkeiten führen und langfristig mehr Frust als Lust bringen.

Das Ideal eines bescheidenen Lebens realisierte er in seinem berühmten Garten in Athen, einer Art Kommune, in der er mit seinen Schülern lebte. Hier konnte er auch eine weitere Säule seiner Glückslehre in die Praxis umsetzen: ein zurückgezogenes Leben unter Freunden, fernab vom öffentlichen Geschehen. Zudem riet er seinen Anhängern, sich in Akzeptanz und rationaler Distanz gegenüber den unvermeidlichen Härten des Lebens zu üben. Die Angst vor dem Tod beispielsweise, die er für eine der Hauptursachen menschlichen Unglücks hielt, könne man durch folgendes Gedankenspiel mildern: Solange man lebt, braucht man den Tod nicht zu fürchten, denn er ist noch nicht da. Und nach dem Tod hört man auf zu existieren und kann sich nicht mehr fürchten.

Ratschläge wie diese kamen bei vielen Zeitgenossen gut an. Es gab kaum einen Schüler, der ihm abtrünnig wurde, und nach Epikurs Tod bildeten sich im ganzen Mittelmeerraum Gemeinschaften, die nach seinen Leitlinien lebten. Angesichts der damaligen unruhigen Zeiten ist dies nicht verwunderlich. Epikurs Zielgruppe waren Menschen, die sich durch die großen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen nach den Siegeszügen Alexander des Großen verunsichert fühlten und in seinen Kommunen eine sichere Oase fanden.

Doch wie sieht es mit der Anwendbarkeit seiner Ratschläge in der heutigen Zeit aus? Psychologische Studien zeigen, dass der Rückzug aus dem öffentlichen Leben für heutige Glückssuchende eher bedenklich ist. So gehen Berufstätigkeit, häufige Aktivitäten außer Haus, Ehrenämter und Engagement in Vereinen und Parteien tendenziell mit höheren Werten für das Wohlbefinden einher. Bescheidenheit beim Genuss dagegen scheint auch heute noch eine erfolgversprechende Glücksstrategie zu sein. Das Problem des ungebremsten Hedonismus ist, dass er oft auf Kosten intimer Beziehungen geht, wie eine Untersuchung der australischen Wissenschaftler Bruce Headey und Alexander Wearing belegt. Die Folge ist ein reduziertes Glücksempfinden, denn der Zuwachs an Wohlbefinden durch Lustbefriedigung kann die negativen Gefühle durch Einsamkeit in aller Regel nicht aufwiegen.

Auch Epikurs Herangehensweise an Schmerz, Krankheit und Tod scheint hilfreich zu sein. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten, ohne sich von diesen überschwemmen zu lassen, führt im Allgemeinen zu einer Verbesserung des Wohlbefindens, wie psychologische Studien zeigen.

Arthur Schopenhauer: Glück durch Einsamkeit

Schopenhauers Fabel von den Stachelschweinen ist selbst unter Philosophielaien bekannt. Danach sind Menschen wie die borstigen Tiere zwischen zwei Übeln hin- und hergerissen: Bei zu viel Nähe fürchten sie, von den Stacheln der anderen gepiesackt zu werden; halten sie sich hingegen von den anderen fern, müssen sie den Wunsch nach wärmender Gemeinschaft aufgeben und in einsamer Distanz ausharren. Diese Geschichte bringt die negative Grundhaltung Schopenhauers treffend auf den Punkt: Der deutsche Gelehrte war ein Pessimist durch und durch. Er glaubte nicht an wirkliches Glück. Seiner Meinung nach kann ein Mensch höchstens versuchen, das Ausmaß an Unglück und Schmerz in seinem Leben zu reduzieren. Dazu solle man seine Erwartungen, Wünsche und Ziele möglichst geringhalten, dann werde man auch nicht enttäuscht. Er riet zu materieller Selbstbeschränkung und sozialem Rückzug. Am besten seien Menschen dran, die nicht nach Wohlstand und Status strebten und möglichst einsam lebten.

Die Überzeugungen Schopenhauers kann man nicht verstehen, ohne einen Blick auf seine Persönlichkeit zu werfen. Er war ein misstrauischer, eitler und überempfindlicher Mann, der sich grämte, dass seine Bücher kaum Anerkennung fanden. Das Verhältnis zu seinen Universitätskollegen war schwierig; den populären Hegel verachtete er. Frauen hielt der überzeugte Junggeselle für unwissend, oberflächlich und verschwenderisch, und er riet Männern dringend von einer Heirat ab. Kein Wunder, dass Schopenhauer als schwierig galt. Selbst seine Mutter, eine erfolgreiche Schriftstellerin, hielt ihn für einen deprimierenden Besserwisser und verbot ihm sogar einmal ihr Haus.

Am Ende seiner Karriere schrieb Schopenhauer ein Werk, in dem er seine pessimistische Philosophie in Tipps für den Alltag übersetzte. Parerga und Paralipomena Aphorismen zur Lebensweisheit ist ein leicht zu lesender und pragmatischer Text und brachte ihm den Erfolg, den er sich so wünschte.

Doch wie gut sind die Ratschläge, die Schopenhauer in diesem Buch gibt? Nicht sehr gut, wenn man psychologischen Studien glaubt. Manche seiner Leitlinien werden durch die moderne Glücksforschung durchaus gestützt, beispielsweise die Empfehlung, Geld und Wohlstand nicht so wichtig zu nehmen. Der Philosoph erkannte auch richtig, dass Glücksempfinden zu einem großen Teil von der (weitgehend angeborenen) Persönlichkeit eines Menschen abhängig ist. Doch war ihm offenbar nicht bewusst, wie sehr seine durch Introversion und Misstrauen geprägte Persönlichkeit seine Weltsicht färbte und verzerrte.

Der Rat, soziale Kontakte zu meiden, ist wahrscheinlich der schlechteste Rat, den man Glückssuchenden geben kann. Menschliche Beziehungen haben sich in zahlreichen Untersuchungen als Hauptquelle eines zufriedenen Lebens herausgestellt. Insbesondere die Ehe führt zu einem tendenziell höheren psychischen und körperlichen Wohlbefinden, wobei der Effekt bei Männern noch größer ist als bei Frauen. Ironischerweise weiß man heute, dass eine Heirat neurotischen Menschen wie Schopenhauer besonders guttut.

New Age: Glück durch Spiritualität und Meditation

Der Begriff New Age wurde von den Protestbewegungen der 1960er Jahre in Referenz zum astrologisch definierten Zeitalter des Wassermannes benutzt, das Harmonie und Frieden bringen sollte. Heute ist es ein Sammelbegriff für esoterische Konzepte, die Ratschläge für ein glücklicheres Leben geben. Trotz der Breite des Spektrums lässt sich ein Katalog von Überzeugungen isolieren, die vielen New-Age-Ansätzen gemeinsam sind. Der Soziologe Maarten Berg listete einmal auf der Basis einer Analyse mehrerer Dutzend New-Age-Klassiker (zum Beispiel Texte von Eckhart Tolle, Jiddu Krishnamurti, Thich Nhat Hanh und Ken Wilber) zehn Charakteristika auf. Dazu zählt etwa der Rat, sich in einer spirituellen Sichtweise zu üben. Metaphysische Fragen, Liebe zur gesamten Schöpfung und der Glaube in Kräfte, die größer sind als man selbst, so betonen viele New-Age-Autoren, sind für das Wohlbefinden wichtiger als die Beschäftigung mit der materiellen Welt. 

Die Texte haben zudem oft eine ausgeprägte psychologisch-therapeutische Dimension. Es wird als wichtig angesehen, die eigene Psyche zu erkunden, um so einen Prozess der Heilung und des persönlichen Wachstums einzuleiten. Ein häufig genanntes Ziel ist die Verwirklichung eines von der äußeren Welt unabhängigen authentischen oder wahren Selbst , das den göttlichen Kern eines jeden Menschen repräsentiert. Eine Reihe von New-Age-Konzepten umfassen praktische Ratschläge für eine gesunde Lebensweise. Dazu gehören Körperübungen, besondere Ernährungsformen und Atemübungen ebenso wie die Aufforderung, regelmäßig zu meditieren und sich in Aufmerksamkeit zu üben.

New-Age-Autoren sind als Teil einer Gegenkultur zu verstehen, die sich gegen die Dominanz von Rationalität, Konsumorientierung und Wettbewerb in modernen Gesellschaften richtet. Viele Menschen empfinden esoterische Texte als wichtiges Gegengewicht in einer Welt, die als übermäßig kopfgesteuert und sozial kalt erlebt wird.

Aber wie sieht es mit der Wirksamkeit ihrer Ratschläge aus? Aufgrund der oft vagen Begrifflichkeit lassen sich New-Age-Konzepte nur schwer wissenschaftlich überprüfen. Das gilt beispielsweise für die Idee der Spiritualität. Aus einer Reihe von Untersuchungen weiß man aber, dass religiöse Menschen glücklicher sind als nichtreligiöse. Eine Langzeitstudie von David Chiriboga, Professor an der University of South Florida, deutet darauf hin, dass religiöse Praktiken eine höhere Lebenszufriedenheit bedingen und nicht etwa umgekehrt. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis nicht ohne weiteres auf Spiritualität übertragen.

Beim Religionseffekt scheinen die Sozialkontakte, die mit der Zugehörigkeit zu einer traditionellen Religion oft verbunden sind, eine große Rolle zu spielen. Das heißt, Kirchgänger sind vor allem deshalb glücklicher, weil sie in ihrer Gemeinde Rückhalt und Unterstützung finden. Aber auch die religiöse Erfahrung an sich, beispielsweise das Gefühl, nahe bei Gott zu sein oder in Licht zu baden , trägt offenbar zum Wohlbefinden bei, wie Studien aus verschiedenen Ländern zeigen. Dies legt die Vermutung nahe, dass auch eine spirituelle Haltung jenseits traditioneller Religionen mit einem gewissen Glückseffekt verbunden ist.

Unbestritten liegen New-Age-Autoren mit einigen ihrer praktischen Tipps richtig. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass regelmäßige Meditation Stress reduziert, das Selbstvertrauen erhöht und insgesamt zu einer größeren Ausgeglichenheit und Zufriedenheit führt. Auch für Praktiken, die Achtsamkeit (mindfulness) fördern, wurde eine Steigerung des subjektiven Wohlbefindens dokumentiert.

Selbsthilfebücher: Glück durch Lesen?

Die moderne Selbsthilfeliteratur bedient sich Ideen, die ihren Ursprung in unterschiedlichen psychologischen Schulen und Fachrichtungen haben. Insofern hat das Genre Bezüge zur akademischen Psychologie; auch Wissenschaftler selbst gehören zu den Autoren. Die wenigsten Selbsthilfebücher zeichnen sich allerdings durch strenge Wissenschaftlichkeit aus. Vielmehr nehmen sich die Autoren die Freiheit heraus, besonders eingängige Ideen herauszupicken und sie mit persönlichen Erfahrungen und Weisheiten zu mischen.

Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei and Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh‘ ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr‘
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Dafür ist mir auch alle Freud‘ entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab‘ ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr‘ und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab‘ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Dass ich nicht mehr mit sauerm Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau‘ alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu‘ nicht mehr in Worten kramen.

Typischerweise vertreten Selbsthilfebücher eine Art Machbarkeitsphilosophie . Glück und Zufriedenheit sind Zustände, die man durch eigene Anstrengung und Arbeit an sich selbst erreichen kann. Dabei argumentieren die Autoren gerne mit Ideen, die von der humanistischen Psychologie entwickelt wurden: Selbstverwirklichung, Autonomie, Sinnsuche, Authentizität. Auch die positive Psychologie, die den Fokus auf die Stärken des Menschen lenkt, hat auf breiter Front Eingang in Selbsthilfebücher gefunden.

Ebenso wie die New-Age-Bewegung lässt sich auch die Selbsthilfeliteratur als Antwort auf heutige Lebensbedingungen interpretieren. Im Vergleich zu dieser ist sie aber weniger alternativ , sondern vertritt Vorstellungen von Rationalität, Individualität und Leistungsfähigkeit, die auch die Regulärkultur prägen.

Wie sieht es mit ihrer Wirksamkeit aus? Im Großen und Ganzen geht die Suche nach Glücksfaktoren in Selbsthilfebüchern in die richtige Richtung. Von den Autoren hervorgehobene Aspekte wie Gelassenheit, Beziehungspflege, Unabhängigkeit und Toleranz weisen in empirischen Untersuchungen tatsächlich eine hohe Korrelation mit subjektivem Wohlbefinden auf. Allerdings tauchen in den Büchern auch zahlreiche Anregungen auf, die zwar früher von Psychologen vertreten wurden, aufgrund neuerer Untersuchungen aber als überholt gelten. Dazu gehört beispielsweise der Ratschlag, Gefühle wie Ärger und Frust möglichst frei auszuleben, um so innere Spannungen abzubauen. Oder die Vorstellung, man könne ein geringes Selbstbewusstsein allein durch innere Selbstbekräftigung stärken. 

Zuweilen werden Aspekte auch sehr vereinfacht dargestellt. So muss man beispielsweise die in zahlreichen Selbsthilfebüchern enthaltene Aufforderung präzisieren, sich in einer optimistischen Grundhaltung zu üben. In der Tat zeigt die empirische Forschung, dass sich Zuversicht in die eigene Leistungsfähigkeit positiv auf Zufriedenheit, Wohlbefinden, Gesundheit und Umgang mit Stress auswirkt. Dies gilt allerdings nicht für alle Menschen gleichermaßen. Sehr ängstliche Individuen fühlen sich besser, wenn sie einen defensiven Pessimismus pflegen, das heißt Ziele so niedrig hängen, dass sie keine Versagensangst spüren. Und selbst für durchschnittlich ängstliche Menschen reicht Optimismus allein nicht aus: Zufriedenheit stellt sich nur ein, wenn sich Zuversicht in die eigenen Kräfte mit einem wachen Blick für mögliche Probleme und Stolpersteine paart.

Es ist hilfreich und macht Spaß , Glücksratgeber vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Forschung zu durchleuchten. Das heißt aber nicht, dass man seinen Lieblingsautor unbedingt aus dem Bücherregal verbannen muss, wenn Studien die Wirksamkeit seiner Ratschläge nicht bestätigen. Glück ist ein Konzept, das Menschen in Abhängigkeit von historischen, kulturellen und individuellen Umständen unterschiedlich definieren. So kann man unter einem glücklichen Leben psychologisches Wohlbefinden, die Abwesenheit von Schmerz oder auch eine moralisch einwandfreie Existenz verstehen. Die Vorstellung, die den Glücksautoren vorschwebte, als sie ihre Texte schrieben, entspricht nicht unbedingt der Definition von Glück, die modernen psychologischen Studien zugrunde liegt.

Was macht mich persönlich glücklich? 

Eine weitere, vielleicht noch wichtigere Einschränkung: Wissenschaftliche Untersuchungen beleuchten immer nur durchschnittliche beziehungsweise tendenzielle Wirkungen. Sie ermöglichen aber keine individuellen Vorhersagen. So kann es beispielsweise sein, dass für einen bestimmten Menschen ein sozial und gesellschaftlich zurückgezogenes Leben, das ganz der Kontemplation oder dem Lernen gewidmet ist, eine wirkungsvolle Glücksstrategie darstellt, während das Wohlbefinden der meisten Menschen unter ständigem Alleinsein leidet. Empirische Forschung mag wichtige Anregungen und Orientierung liefern. Letztlich aber muss jeder selbst entscheiden, welcher Glücksratschlag am überzeugendsten für ihn ist.

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