Sport verändert etwas

Sport ist neben dem menschlichen Miteinander das wichtigste.

„Sport verändert etwas an der Art, wie man denkt“

Fatima Yazici ist Fitness- und Mentaltrainerin. Sie weiß, was Bewegung mit dem Kopf macht und welche Gefahren der digitale Lifestyle vor allem für junge Menschen mit sich bringt. Was also ist noch gesund?

Frau Yazici, beginnen wir mit Coubertin: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Wo fange ich mit dem Training an? Beim Geist oder beim Körper?

Es gibt nicht den einen Weg, der für alle gilt. Mal braucht das eine mehr Aufmerksamkeit, mal das andere. Ist es der Geist, der vielleicht nicht ganz so ruhig ist, weil es Dinge gibt, die ihn zu sehr beschäftigen, bedrücken, belasten? Dann geht es darum, erst einmal innerlich aufzuräumen. Es kann aber auch sein, dass du genau weißt, was du willst, dass du mental schon ein Ziel hast, aber deinen Körper jahrelang nicht trainiert, nicht gepflegt hast. Dann ist es besser, mit dem Körper anzufangen. In beiden Fällen ist es wichtig, beides im Auge zu behalten, Körper und Geist. Es geht um ein ganzheitliches Trainingskonzept.

Es ist bekannt, dass psychische Faktoren zu körperlichen Erkrankungen führen können. Wie verhält es sich umgekehrt? Kann körperliches Training die Psyche beeinflussen?

Auf jeden Fall. Sport, richtiges Training verändert etwas an der Art, wie man denkt. Man muss sich mit sich selbst auseinandersetzen, man muss auch mal Stärke zeigen, man muss etwas durchziehen. Wenn man etwas Neues ausprobiert und körperlich trainiert, passiert auch neurobiologisch viel. Synapsen verbinden sich, im Kopf entwickelt sich etwas. Den Körper zu entwickeln hilft, Selbstvertrauen zu entwickeln. Hilft, zu verstehen, dass man es selbst in der Hand hat, was aus einem wird. Dass man besser werden kann und dass das aus einem selbst kommt. Das stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist, die Eigenverantwortung.

Body, Mind, Soul. Das steht im Logo Ihrer Website. Wir wissen, was Körper und Geist sind, aber was ist die Seele?

Die Seele ist der Ausdruck deiner selbst, das, was du bist, wenn du den Kopf und den Körper mal beiseitelässt.

Ist Leidenschaft wichtig für ein gutes Training?

Natürlich ist es gut, Leidenschaft zu haben. Das ist ein guter Push-Faktor. Aber es kann auch sein, dass man aus einer zweckgebundenen Situation heraus sagt, ich starte jetzt, und es entwickelt sich.

Kann Sport wichtige Werte vermitteln, wie es oft heißt?

Das hängt vom Umfeld ab. Was für Trainer hat man? Wie ist die Atmosphäre in der Gemeinschaft, in der der Sport ausgeübt wird? Ob Fußball oder Kampfsport, beides kann positiv oder negativ sein. Das hängt von der Gemeinschaft ab, in der man die Wertevermittlung erlebt.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Respekt steht ganz vorne bei dem, was ich im Training vermitteln möchte. Dann ist Disziplin wichtig, Kontinuität im Training. Dass man erlebt, da passiert schon etwas mit mir nach einem Monat Training, und wenn ich zwei Monate dranbleibe, dann geht es weiter. Ich möchte den Wunsch vermitteln zu wachsen, sich immer weiterzuentwickeln. Aber auch ein gewisses Maß an Selbstliebe gehört dazu. Es geht auch darum, sich nicht selbst zerstören zu wollen.

Wie schwierig ist es, die Sportler bei all den Ablenkungen des modernen Lebens bei der Stange zu halten?

Wir leben in einer Zeit voller Ablenkungen. Unser Handy ist immer an. Die Aufmerksamkeitsspanne ist nicht mehr so hoch wie früher, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Ich versuche, das zu drosseln, auch durch meine Art zu reden. Ich versuche, die Leute zur Ruhe zu bringen und den Fokus auf das Training zu lenken. Die meisten merken: Wenn sie runterfahren, wenn sie abschalten können, dann sind sie im Training viel disziplinierter und spüren, wie gut ihnen das tut. Die Disziplin, der Wille, weiterzumachen, hat viel damit zu tun, wie man sich emotional im Training fühlt. Und das hängt stark vom Trainer ab.

Sie betreuen Breiten- und Leistungssportler. Sind das zwei verschiedene Paar Schuhe?

Ich arbeite mit Breitensportlern, die zum Teil ambitionierter sind als Leistungssportler. Sie sagen, dass Leistungssport nicht ihr Ziel ist, aber sie wollen körperlich genauso trainieren. Im athletischen Bereich betreue ich viele solcher Sportler aus ganz unterschiedlichen Disziplinen – und dementsprechend unterschiedlich ist auch das Athletiktraining. Manche dieser Breitensportler sind tatsächlich akribischer als Leistungssportler. Da kommen sich beide Lager sehr nahe. Was sie unterscheidet: Im Leistungssport sucht man den Vergleich. Da will man besser werden als andere. Das gibt es im Breitensport natürlich auch, aber nicht in dieser extremen Intensität.

Welche Rolle spielt Selbstdarstellung?

Sie ist definitiv eine Motivation. Selbstdarstellung gehört zu allen Sportarten, mal mehr, mal weniger, sie gehört dazu in einem gesunden Maß. Im Kampfsport hast du viele junge Leute, die sagen: Hey, Spotlight on me! Ich zeig dir mal, was ich kann! Ich zeig dir mal, wofür ich trainiert habe! Das macht etwas mit einem, wenn man sich präsentieren kann, wie zum Beispiel im Kampfsport oder beim Breakdance. Es gibt viele, die eine Bühne brauchen. Und die findet man im Sport.

Wie groß ist die Gefahr, dass Training in Sucht, in Optimierungswahn umschlägt?

Jeder Leistungssport geht ins Extrem, ist die Suche nach dem Bestmöglichen. Das hat immer mit Grenzen und Gefahren zu tun. Im Breitensport sollte man sich nicht zu sehr mit anderen vergleichen, sondern sich darauf konzentrieren, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Das ist eine gute Form der Selbstoptimierung. Sport ist Entwicklung. Man muss nicht gewinnen.

Es ist auch ein Erfolg, wenn man sagen kann, ich habe heute mein Bestes gegeben. Dann kann man mit der Gewissheit nach Hause gehen, dass man sein aktuelles Maximum abgerufen hat. Auch wenn das im Ranking nicht für ganz vorne gereicht hat, kann man dann mit sich zufrieden sein. Das Schlimmste für einen Athleten ist, wenn er denkt, es wäre mehr drin gewesen.

Der Triathlet Jan Frodeno hat sich ein paarmal bis in die Ohnmacht trainiert – und war stolz darauf.

Er hatte damit die Gewissheit, an seine Grenzen und darüber hinaus gegangen zu sein. Das gibt es auch im Kampfsport. Im MMA (Mixed Martial Arts, Anm. der Red.) gibt es Kämpfer, die auch bei Würgegriffen oder Hebeltechniken nicht aufgeben. Es gibt Boxer, die auch bei den härtesten Treffern nicht zu Boden gehen. Die stolz auf ihre Nehmerqualitäten sind und erst aufhören, wenn sie ausgeknockt sind. Das ist eine Art Selbstaufgabe, bei der sich natürlich die Frage stellt, wie verantwortungsvoll man mit seinem Körper umgeht.

Es gibt Boxer, die auch bei den härtesten Treffern nicht zu Boden gehen. Andere schon.

Sind wir im Begriff, das Gefühl für unseren Körper zu verlieren?

Ein Teil der jüngeren Generation hat da schon viel verloren, ohne es groß zu merken, weil sie in ihrem digitalen Lifestyle keinen Bezug mehr zum Körper, zum Sport haben. Da geht es oft nur noch um Selbstdarstellung, um Kosmetik. Die älteren Generationen kennen das Körpergefühl noch, aber da ist es zum Teil das Problem, dass sie durch den Lifestyle, den auch sie sich angewöhnt haben, gar nicht mehr wissen, wie sie wieder reinfinden, wie sie wieder einen Bezug zu ihrem Körper bekommen sollen. Ich trainiere an der Filmhochschule Schauspieler im Stuntbereich, und da sehe ich das auch. Das sind alles ambitionierte Schauspielstudenten, die sehr verkopft, sind, die muss ich erst wieder dazu bringen, ihren Körper zu verstehen und einen Bezug zu ihm zu bekommen.

Welche Rolle spielt der Gesundheitsaspekt im Personal Coaching?

Personal Coaching spielt auch unter gesundheitlichen Aspekten eine wichtige Rolle. Die Leute, die sich das leisten, haben den Wert des Trainings verstanden. Wenn man die Kosten mit dem vergleicht, wofür man sonst Geld ausgibt, dann ist es gar nicht so teuer, und der Mehrwert ist enorm, körperlich und mental. Viele gehen mit einem anderen Selbstbewusstsein, einer anderen Selbstwahrnehmung aus einem solchen Training heraus. Sie lernen, die Trainingsroutine in ihr Leben zu integrieren. Es geht ja nicht immer nur um Leistung, es geht auch um Gesundheit. Wir alle haben nur einen Körper, da müssen wir schauen, dass wir bis ans Ende unseres Lebens das Bestmögliche aus ihm machen.

Wie sind Sie selbst zum Sport gekommen?

Ich habe mit sechs Jahren angefangen. Mit Hapkido, einer koreanischen Kampfsportart, die sehr gut für Kinder geeignet ist, weil sie auch Werte vermittelt, Konzentration und Atmung schult, Selbstbewusstsein und Körpergefühl stärkt. Später habe ich Kampfsport – K1, Muay Thai, MMA – und Breakdance parallel gemacht. Als Trainerin betreue ich Menschen aus allen möglichen Sportarten. Breakdance, Kampfsport, American Football, Tennis, Fußball, Marathon und einige mehr.

Breakdance und Mixed Martial Arts – das klingt in meinem Vorurteilsrepertoire nach Straßentanz und Straßenschlägerei, nach Kunst und Gewalt. Wie passt das zusammen?

Es sind zwei Ausdrucksformen auf dem gleichen Level. Ich liebe beides. Aber es ist eine andere Art von Liebe. Für mich gibt es viele Parallelen zwischen Breakdance und MMA. Weil du in einen Schlagabtausch gehst, blitzschnell reagieren musst und die Bewegungen explosiv sind. Beide haben einen extremen Wettkampfgedanken. Beides ist ein direkter Vergleich. Aber mit einem großen Unterschied: Beim Breakdance darfst du deinen Gegner nicht berühren. Beides hat viel mit Strategie zu tun. Man muss den Plan des Gegners verstehen. Jederzeit kann alles passieren. Eine Sekunde des Unbedachtseins kann dich den Sieg kosten.

Beim Breakdance darfst du deinen Gegner nicht berühren. Beides hat viel mit Strategie zu tun. Man muss den Plan des Gegners verstehen. Jederzeit kann alles passieren. Eine Sekunde des Unbedachtseins kann dich den Sieg kosten.

Dass MMA brutal ist, kann man aber nicht wegdiskutieren.

Es wird mit weniger gepolsterten Handschuhen gekämpft als beim klassischen Boxen, Treffer haben deshalb eine größere Wirkung auf den Körper des Gegners. Aber es gibt mittlerweile strenge Richtlinien, nach denen Kämpfe unterbrochen werden. Niemand will, dass einer mit bleibenden Schäden aus dem Ring geht. Die Kampfrichter sind viel besser ausgebildet als früher.

Die Kämpfe sind bei Weitem nicht mehr so brutal, wie sie einmal waren, als noch viel Blut geflossen ist. Es gibt heute starke, strategische Kämpfe, die schön anzuschauen sind. Aber Gehirnerschütterungen, Knochenbrüche und Ähnliches lassen sich bei Vollkontaktkampfsportarten nicht vermeiden. Das ist das Risiko, das man eingeht.

Es gibt heute starke, strategische Kämpfe, die schön anzuschauen sind.

Es gibt aber auch noch die Hinterhofkämpfe, wo die alte Schule gilt.

Ja, die gibt es. Das hat ganz verschiedene Hintergründe. Mal ist es die Hooliganszene, die sich im Hinterhof oder auf der Wiese trifft. Oder es sind verschiedene Gruppierungen mit verschiedenen Gesinnungen, die aufeinandertreffen und sagen, wir klären das auf diesem Weg. Ich distanziere mich entschieden davon. Die kämpfen vielleicht mit ähnlichen Methoden, aber es ist von der Ideologie her fernab von allem, was MMA verkörpert.

Die rechte Szene steht im Ruf, über Kampfsportarten Anhänger zu rekrutieren. Was tun Sie dagegen?

Für mich ist klar: Alles, was in die Kategorie Extremismus fällt, versucht, Leute aus dem Kampfsport oder aus anderen Jugendkulturen für sich zu begeistern. Leute, die man noch beeinflussen kann. In die eine oder andere Richtung. Das wird leider von der falschen Seite instrumentalisiert. Aber dem wird durchaus entgegengewirkt. Es gibt immer mehr Gyms, die einen klaren Wertekodex haben.

Die sagen, das sind unsere Regeln, und wenn du dich nicht daran hältst, bist du hier nicht richtig. Ich arbeite in Berlin mit einem solchen Gym zusammen. Wir wollen einen sicheren Raum für Athleten haben. Wir wollen deutlich machen, dass es erst einmal nicht wichtig ist, was einer denkt, aber dass es unsere Regeln sind, die gelten, wenn er ins Gym kommt: Vielfalt, Miteinander, Respekt. Das wollen wir mit dem Sport vermitteln. Das ist, was Sport vermitteln kann.

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