»Tinder ist die Antwort auf eines unserer größten Probleme«
Die meisten deutschen Paare lernen sich heutzutage über Dating-Apps kennen. Forscherin Johanna Degen beschreibt, welche Folgen das für Beziehungen hat und warum Flirten im echten Leben so schwierig geworden ist.
Die Liebe kennt viele Jahrestage, doch kaum einer dürfte so weitreichende Folgen gehabt haben wie dieser: Am 12. September vor elf Jahren kam eine neue Dating-App auf den Markt. Der Name: Tinder. Er ist zum Synonym für eine völlig neue Art des Kennenlernens geworden. Das Verb »tindern« hat es wie zuvor schon »googeln« in den normalen Sprachgebrauch geschafft.
Vorher war es mit der Liebe so: Man lernte sich bei der Arbeit kennen, in Bars oder Klubs oder im Supermarkt. Man datete Freunde von Freunden oder jemanden, den man von der freiwilligen Feuerwehr kannte. Mit Tinder wurde der Kreis potenzieller Bekanntschaften oder gar Partnerinnen und Partner plötzlich viel größer.
Heute sind auf Tinder monatlich weltweit 75 Millionen Menschen aktiv, elf Millionen bezahlen Geld für Zusatzfunktionen. Es gibt weitere ähnliche Apps, die Bumble, Hinge oder OKCupid heißen. Sie alle sorgen dafür, dass Onlinedating zunehmend erfolgreich ist: Allein in Deutschland haben sich 53 Prozent aller Paare, die in den letzten sechs Jahren zusammen gekommen sind, auf diesem Weg kennengelernt.
Aber was macht das mit uns, unseren Beziehungen, unserer Art zu flirten und im echten Leben nach potenziellen Partnern zu suchen? Das erforscht die Sozialpsychologin Johanna Degen, die seit 2019 das Forschungsprojekt »Tinder: Profiling the self« an der Europa-Universität Flensburg leitet.
Kritische Konsumenten treffen auf Produkte im Präsentationsmodus
Wer schon mal auf einer Dating-App war, kennt die Frage: »Was suchst du hier?« Es ist eine Frage, die für viele gar nicht so einfach zu beantworten ist. Ironischerweise auch für viele derjenigen nicht, die sie stellen. Sie haben ja selbst keine Ahnung. Sie sind offen. Offen wofür? Für alles Mögliche.
Wer datet, ist gleichzeitig Konsument und Ware, er begibt sich in einen Präsentationsmodus – und findet da so schnell oft gar nicht mehr heraus. »Manche sagen uns in Interviews sogar, dass sie beim Sex versuchen, nicht zum Orgasmus zu kommen, weil ihr Gesicht dann so komisch aussehe«, berichtet Degen. Diese Menschen erlebten sich als produktförmig, »sie entwerfen sich für einen Markt.« Gleichzeitig beäugten sie die anderen und deren Werbeversprechen mit Skepsis, so wie sich das für kritische Konsumenten gehört.
Dating-Apps rationalisieren die Suche: mehr Kopf, weniger Herz, mehr Kontrolle, weniger Schicksal. Aber funktioniert das auch?
Treffen wir einen Menschen persönlich, können wir seine Eignung als potenzieller Partner schon 200 Millisekunden nach dem ersten Blickkontakt einschätzen. Degen plädiert dafür, wieder mehr auf echte Begegnungen zu setzen, auf Intuition und Körperwissen, also zum Beispiel auch mal jemanden in einer Bar oder beim Bäcker spontan anzusprechen statt immer mit innerer Checkliste in den Apps vorzusortieren: »Onlinedating führt zu sehr vielen sehr schlechten Begegnungen.« Das liege unter anderem daran, dass wir unserer Intuition misstrauten, wenn es nach einem Match und einem Chat zu einem ersten Treffen komme. »Der Körper reagiert vielleicht skeptisch, aber digital in der App hat sich doch alles so richtig angefühlt. Also haben wir Sex, den wir nicht haben wollen.« Männer wie Frauen übrigens. »Sehr viele Männer haben Sex, den sie nicht genießen.« Degen spricht von »performativem Sex«, der sehr mechanisch sei, eine Nichtbegegnung.
SPIEGEL: Frau Degen, mehr als die Hälfte aller deutschen Paare lernt sich heute online kennen. Ist das eigentlich eine gute Nachricht?
Degen: Ich sage ganz pragmatisch: Es funktioniert, die Leute kommen zusammen und nutzen die Möglichkeit. Wir beobachten eine zunehmende Einsamkeit, und da ist es erst einmal positiv, dass wir über Dating-Plattformen in Kontakt kommen. Es zeigt aber auch, dass wir das Gefühl haben, dass wir uns woanders nicht mehr kennenlernen können.
SPIEGEL: Welche positiven Aspekte würden Sie besonders hervorheben?
Degen: Wir haben in der Pandemie viele Interviews geführt. Da haben Menschen gesagt, Tinder sei außerhalb der Familie der einzige Ort, wo sie sich noch mit anderen austauschen. Auch Minderheitsgruppen wie homosexuellen oder transidentitären Personen helfen Dating-Apps. Hier können sie ihre sexuelle Orientierung nach vorne stellen, ohne dass körperliche Gefahr droht. Und ich kann außerhalb meines Milieus Menschen treffen, denen ich sonst nie begegnet wäre: Der Banker, der wenig Zeit hat, trifft die Künstlerin. Und natürlich hat man den Sex, den man möchte. Sex ist durch Onlinedating viel zugänglicher geworden.
Das daten und küssen mit Maske in der Pandemie war jetzt nicht nur eine einschränkende, sondern auch eine bereichernde und durchaus anregende Erfahrung. – Rene Margritte „die Liebenden“
SPIEGEL: Sie sagten, dass viele das Gefühl haben, dass sie sich woanders nicht mehr kennenlernen könnten. Flirten wir außerhalb von Dating-Apps nicht mehr?
Degen: Immer seltener. Sowohl Männer als auch Frauen beklagen, dass sie draußen in der »echten Welt« keine Resonanz mehr bekommen. Ich möchte jetzt nicht dazu aufrufen, Frauen auf der Straße anzusprechen, weil das ja auch oft als übergriffig empfunden wird. Allerdings höre ich vor allem von Frauen, dass sie sich sogar zum Joggen schick machen – und dann enttäuscht sind, wenn niemand reagiert. Leider ist der öffentliche Raum inzwischen so aufgeladen, dass Männer das Risiko nicht mehr eingehen möchten. Sie haben das Gefühl, Frauen wollen das nicht mehr und sie könnten direkt im Knast landen. Deswegen lassen sie es lieber. Das hat auch etwas mit dem öffentlichen Diskurs zu tun, mit der #MeToo-Debatte und der medialen Inszenierung sexueller Übergriffe.
SPIEGEL: Also ist die #MeToo-Debatte schuld, dass wir weniger flirten?
Degen: #MeToo ist sicher keine schädliche Bewegung, um die Ernsthaftigkeit von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch öffentlich zu machen und Täter als Täter zu identifizieren. Aber wenn Männer überhaupt nicht mehr wissen, was sie dürfen, oder wenn sie immer Angst haben, eine Grenze zu überschreiten, dann wird es schwierig zwischen den Geschlechtern.
SPIEGEL: Können Sie ein Beispiel nennen?
Degen: Wir machen auch Forschungen zu #MeToo, und da gab es die Influencerin, die sich zu Problemen äußerte. Wir haben sie für ein Interview angefragt, und sie berichtete von ihrem #MeToo-Fall. Sie sei für Fotos an einem Set gewesen, und der Producer habe gesagt: »Nimm doch den Blazer ab, du siehst im T-Shirt gut aus.« Sie empfand das als übergriffig. Ich finde das nicht richtig, denn es gibt Frauen, die wirklich sexuelle Übergriffe erlebt haben und sich an die Öffentlichkeit wenden. Man sollte nicht die Stimme der Betroffenen klauen, wenn man selbst kein Trauma erlebt hat. Wenn Männer außerdem das Gefühl haben, hier droht schon die Gefahr der Grenzüberschreitung, ist doch klar, dass sie passiv werden und lieber im Internet suchen.
Warum sich mit dieser ewig zickigen realen Dame rumärgern, da bleibe ich doch lieber passiv und suche im Internet.
SPIEGEL: Doch auch in Apps machen viele negative Erfahrungen. Tinder hat immer noch die meisten Nutzerinnen und Nutzer – aber viele schimpfen über den respektlosen Umgang und rauen Ton.
Degen: Das stimmt. Zehn Jahre nach der Einführung von Tinder verändert sich das Image dramatisch. Wissenschaftlich formuliert äußern sich die Nutzer in der App in emotional geladener Sprache. Etwas direkter ausgedrückt: Alle finden Tinder scheiße. Alle sind erschöpft, aber wir müssen trotzdem weitermachen, weil es alternativlos scheint.
SPIEGEL: Warum werten sich Menschen dort gegenseitig ab?
Degen: Weil wir uns als austauschbar erleben und uns abgewertet fühlen, etwa wenn wir merken, dass uns jemand ghostet. Wir kommen anfangs nicht mit einer vorgefertigten Haltung zum Onlinedating, wir werden da rein sozialisiert. Nach ein paar Wochen sind wir zwanzigmal enttäuscht oder schlecht behandelt worden, und dann fangen wir an, uns auch so zu verhalten. Man könnte sagen, wir wollen nicht so »übercommittet« sein. Aber wir müssen kollektiv umdenken, damit wir das auch wieder zulassen, damit wir echte Annäherung zulassen.
SPIEGEL: Wie kommt es dann, dass Tinder immer noch so einen Erfolg hat? Weltweit sind 75 Millionen Menschen angemeldet.
Degen: Tinder ist die Antwort auf eines unserer größten Probleme. In der neoliberalen Gesellschaft haben wir keine Zeit für Dating. Wir erleben es als schwierig und zeitintensiv. Es wird von vielen als sehr effektiv empfunden, Menschen über eine App kennenzulernen. Anfangs fanden es alle charmant, witzig. Es bot Zugriff auf etwas, das wir vermissen: Beziehung, Sexualität. In Deutschland haben wir statistisch betrachtet eher wenig Sex. Wir reden aber viel darüber. Also hüpften alle drauf, und das Ding ist explodiert. Heute sehen wir zunehmend die negativen Konsequenzen, die daraus resultieren.
SPIEGEL: Die wären?
Degen: Wir suchen mit einer negativen Brille und nehmen die Enttäuschung vorweg. Wenn ich aber denke, das ist jetzt wieder der nächste Trottel, mit dem ich meine Zeit vergeude, wird das Date sicher nicht besonders schön, das ist ein Negativzoom. Wenn man sich auf negative Aspekte fokussiert, werden diese größer. Da gibt es ganz alte Stereotype, die aufblühen.
SPIEGEL: Welche?
Degen: Dass Frauen sehr umtriebig sind, wenn sie mehr als einen Mann daten. Oder dass sie zu anspruchsvoll und arrogant sind. Und Männer werden durch die Brille gesehen: Der ist doch emotional verarmt oder ein ausnutzender Player oder grob und gefährlich.
SPIEGEL: In Ihrer neuen Studie zitieren Sie männliche Nutzer: Da werden Frauen als »Bitches« tituliert, wenn sie parallel Dates haben. Wenn sie angeben, gern ein Glas Alkohol zu trinken, gelten sie direkt als Alkoholikerin. Sind Männer frustriert, dass Frauen es leichter haben, Kontakte zu machen?
Degen: Frauen sind nur bis etwa Mitte dreißig im Vorteil, danach wendet sich das Blatt. Ab der Lebensmitte sind eher Männer im Vorteil. Und die suchen sich tendenziell jüngere Frauen.
SPIEGEL: Sind Männern denn gleichaltrige Frauen zu anstrengend?
Degen: Männer sind visuell ausgerichtet. Sie finden tendenziell junge Frauen attraktiv. Das ist einfach so. Aber es gibt neben der Optik noch eine zweite Dimension, die viele Männergruppierungen in den sozialen Medien ganz explizit proklamieren: Ich möchte keine mittelalte Frau, die ihr emotionales Gepäck mit sich trägt und die schon zigmal enttäuscht wurde und die immer zeigt, wie unabhängig sie ist. Ich möchte eine Frau, die mich bewundert und die sozusagen frisch und unvoreingenommen ist.
Ich möchte eine Frau, die mich bewundert und die sozusagen frisch und unvoreingenommen ist.
SPIEGEL: Dann haben Männer ja Glück, dass es Onlinedating gibt. Oder vermissen sie auch etwas?
Degen: Sie vermissen das Flirten da draußen ebenso. Wir haben Interviews zum Thema Körperlichkeit geführt, Probanden sollten zeitgleich Bodymapping machen und über Erfahrungen berichten. Ich erinnere mich an einen Mann, der erzählte, welches Glück er empfand, als ihn einmal eine Frau so offen angelacht hat, dass er sich ermutigt fühlte. Er ist sogar über den Zaun gesprungen, um sie anzusprechen, weil er sich so freute, mal ein deutliches Signal zu bekommen. Viele Frauen haben es verlernt, Signale zu senden. Eben nicht aufs Handy zu schauen, sondern sich umzublicken, zu lächeln.
SPIEGEL: Wenn man sich heute so umschaut, dann hat man das Gefühl, die Geschlechter gleichen sich an.
Degen: Ja, und genau das ist für die Erotik eher hinderlich. Denn was gleich ist, zieht sich nicht an. Wir müssen das neu aushandeln und gucken: Wie geht neue Männlichkeit? Wie geht neue Weiblichkeit? Viele Frauen haben auch Lust auf mehr Weiblichkeit. Die muss ja nicht so aussehen, dass wir wieder das Wahlrecht verlieren, aber vielleicht führt es dazu, dass wir wieder mehr Komplimente bekommen. Auch bei der neuen Männlichkeit sollten wir uns fragen: Wie schaffen wir es, dass sie nicht sofort als toxisch deklariert wird? Es ist nicht toxisch, Mann zu sein. Männer sind toll, faszinierend und wichtig, aber heute fällt es schwer, das zu sagen.
SPIEGEL: Wie hat Onlinedating unsere Beziehungen verändert?
Degen: Wir bewerten Beziehungen heute anders, auch vor dem Hintergrund, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Weil wir immer wissen: Da gibt es diese riesige Masse…
SPIEGEL: Das Überangebot muss man aber erst mal scannen.
Degen: Ja, und das wird seit einigen Jahren immer pragmatischer gehandhabt. Zeit ist eine knappe Ressource, und Dates werden auch schon mal abgebrochen – oder man vereinbart gleich drei an einem Abend. Wir wissen, die Menschen sehnen sich nach Liebe und Beziehung. Aber die Art, wie wir suchen, verhindert, dass wir finden.
SPIEGEL: Haben Sie ein paar typische Beispiele?
Degen: Mir fällt ein Manager aus Frankfurt ein, der Frauen einlädt, im Taxi mitzufahren. Er denkt, dass er so keine Zeit verschwendet, weil er die Fahrt ohnehin machen muss. Es wird heute kaum mehr investiert, weder emotional noch monetär. Wir nehmen Dates mit in den Baumarkt. Oder man lädt auf ein Bier ein, und wenn es nicht läuft, sitzen die Kumpels nebenan in der Bar. Bloß keine Zeit verschwenden. Es gibt auch Frauen, die nehmen ihre Dates mit zur Maniküre oder fragen, ob man zusammen joggen gehen kann, dann ist wenigstens die sportliche Pflicht des Tages erledigt. Das Problem dabei ist: Es ist keine Hinwendung zu einem neuen Menschen, so kann keine echte Begegnung entstehen. Was wir brauchen, ist eine Re-Romantisierung.
Damals hat man sich noch ernsthaft unterhalten, und langweilig war das nicht. Was wir brauchen, ist eine Re-Romantisierung. – Dispute between Minerva (Athena) and Neptune (Poseidon) was painted by Merry-Joseph Blondel in 1822.
SPIEGEL: Ist Onlinedating per se unromantisch?
Degen: Was wir festgestellt haben: Menschen, die sich auf Tinder treffen und dort abwerten, finden sich auf Instagram plötzlich total toll. Auf dieser Plattform werden Menschen als schöner, loyaler, authentischer wahrgenommen. Wenn wir mit dieser Einstellung in das Date gehen, hat das viel mehr Potenzial.
SPIEGEL: Also raten Sie, auf Instagram anzubändeln?
Degen: Ich sage, dass eine andere Einstellung hilft. Wir sollten den sogenannten Pygmalioneffekt für uns nutzen. Der besagt: Wenn ich das Beste vom anderen erwarte, wird die Person besser. Mit dieser Haltung gelingt womöglich eine tiefere Begegnung. Warum können wir nicht auch mal mit Herzlichkeit um uns werfen? Wir könnten sagen: Ich finde es attraktiv, dass du dich in fremden Städten so gut zurechtfindest. Was ist so schlimm daran, wenn man ein bisschen Bewunderung schenkt? Was ist so schlimm, mal Blumen zu kaufen und zu sagen: Ich finde, du bist wunderschön?
SPIEGEL: Wahrscheinlich punktet Instagram vor allem über die Bilder. Wie wichtig ist eigentlich der Text im Profil?
Degen: Völlig unwichtig. Niemand liest den Text. Wir entscheiden nach Sehgewohnheiten. Leider werden Profilbilder auf Dating-Plattformen immer gleichförmiger.
SPIEGEL: Wie denn?
Degen: Da ist das Selfie. Dann das Reisefoto, an dem sich die Figur erahnen lässt. Mädchen mit Surfboard am Strand oder in Yogapose. Mann mit Fisch beim Angeln. Oder im Fitnessstudio. Der zufällige Schnappschuss in Denkerpose.
SPIEGEL: Welche Bilder kommen am besten an?
Degen: Bilder, die draußen aufgenommen wurden und wo wir mit Freunden abgebildet sind, wirken authentisch und zeigen: Ich bin sozial, ich habe Freunde und kann etwas anbieten.
SPIEGEL: Wenn ich ein Bild sehe, das mir gefällt, und der erste Kontakt verheißungsvoll ist: Sollte ich sofort ein Treffen vereinbaren oder lieber warten?
Degen: Lieber eher treffen, weil wir sonst allzu viel hereininterpretieren können in einen Menschen, den wir nur vom Foto kennen. Und dann ist plötzlich der Geruch oder die Stimme irritierend, und man hat vorher wochenlang getextet. Ich rate auch, entgegen der Onlinedating-Logik, exklusiv zu treffen und auch danach zu fragen. Man könnte sagen: Ich möchte diese Woche nur dich treffen und keinen anderen. Damit riskiere ich etwas, nehme mir Zeit, stelle mich auf den anderen ein. Ich riskiere, dass ich dich ein bisschen toll finde, statt die Enttäuschung vorwegzunehmen und schon vorher abzuwerten. Ich denke, das ist eine innere Haltung, die hilft.
SPIEGEL: Wenn Sie auf Studien in anderen Ländern blicken, gibt es etwas, das Ihnen positiv auffällt?
Degen: In Skandinavien sind alleinerziehende Eltern anders als in Deutschland völlig schambefreit. In Dänemark, Schweden und Norwegen finden Sie lauter Profile, in denen steht: Ich bin eine glückliche Mutti und suche jemanden, der immer an den ungeraden Wochenenden Zeit hat. In Deutschland gibt es niemanden, der das mit demselben Stolz machen würde. Hier werden Kinder in Profilen oft verheimlicht. In Skandinavien kann man sich einiges abgucken.