Der Mensch strebt in seinem Leben nach Glück. Doch das Prinzip der hedonistischen Tretmühle zeigt auf, dass uns auch das Schönste auf Erden nicht dauerhaft glücklich macht. Was können wir dagegen tun?
Glück hat ein Verfallsdatum. Die Dinge die uns glücklich machen, werden schnell wieder zur Normalität. Man arbeitet also die ganze Zeit daran, bleibt aber doch am selben Platz. Dieses Prinzip hat der britischen Psychologe Michael Eysenck in den 90er-Jahren als hedonistischen Tretmühle benannt. Es ist die Tendenz des Menschen, nach einem stark positiven Lebensereignis schnell wieder zu einem relativ normalen Level an Glücksempfinden zurückzukehren.
Die hedonistische Tretmühle ist auch ein Grund, weshalb der Kapitalismus so gut funktioniert. Der Kauf von materiellen Gütern schüttet kurzzeitig Glückshormone in uns aus. Weil die Freude über den Kauf aber nicht lange anhält, kommt das Gefühl, sich durch einen Kauf erneut belohnen zu wollen, schnell wieder auf. Nach dem selben Prinzip macht auch ein höheres Einkommen die Menschen nicht in erwarteter Weise glücklicher.
Wege aus der Tretmühle
Aber kann man der Tretmühle entkommen? Gibt es einen Weg zu nachhaltigem Glück? Als einen der ältesten Versuche, der hedonistischen Tretmühle zu entkommen, sieht der Mainzer Philosoph Thomas Metzinger die Religiosität. Er sagt: „Auf der Ebene von einzelnen Menschen scheint es manchmal tatsächlich eine der erfolgreichsten Strategien zu sein, einen dauerhaft stabilen Zufriedenheitszustand zu erlangen.“
Friedrich Schiller sagte: „Der Mensch ist nur dort ganz Mensch, wo er spielt.“ So hält es auch der medizinische Psychiater Simon Guendelman, der in Berlin zu Emotionsregulierung und Achtsamkeit forscht. Er sieht den Weg aus der Tretmühle vor allem in sozialen Verbindungen und Aktivitäten. Er rät, die Freude am Verzicht zu entdecken. Das könne nur gelingen, indem man lernt, das Leid genauso anzunehmen, wie man es mit freudigen Dingen tut. „Wir dürfen von den schönen Dingen nicht abhängig werden.“, sagt er. Guendelman plädiert, dem eigenen Leben mit mehr Achtsamkeit zu begegnen und rät, darüber zu reflektieren, was einen tief im Inneren glücklich macht.
Der Mensch steckt in der hedonistischen Tretmühle fest. Er strebt sein Leben lang nach Glück, doch kaum hat er es erreicht, fliegt es schon wieder davon. Nach einem positiven Lebensereignis, das uns mit Glücksgefühlen überflutet, kehren wir bald wieder zu unserem emotionalen Normalzustand zurück. Glück ist kein Dauerzustand. Denn wir gewöhnen uns rasch an die Dinge oder neuen Lebensumstände, die uns glücklich machen, so schön sie auch sein mögen. Wie ein Hamster im Rad müssen wir uns ständig abstrampeln, um glücklicher zu werden, kommen aber letztendlich nicht vom Fleck. Kaum ist ein neues Ziel erreicht, schleicht sich die Gewohnheit ein und eine neues, höheres Ziel muss her. Wir sind gefangen in der Endlosschleife eines immer höher, weiter schneller Modus, bei dem letztendlich das wahre Leben auf der Strecke bleibt. Doch es gibt effektive Möglichkeiten, wie der Ausstieg aus der hedonistischen Tretmühle gelingen kann.
Das Hamsterrad des Lebens: Immer weiter, höher, schneller
Jeder kennt das Hamsterrad aus eigener Erfahrung, im Fachjargon auch hedonistische Tremühle genannt: Wir alle strampeln uns ab und peilen neue Ziele an, die uns dem Glück näher bringen sollen. Wer kennt diese Gedanken nicht: Wenn ich erst mal das Studium beendet habe, den neuen Job gefunden, das neue Auto gekauft, meinen Traumpartner gefunden oder das Haus gebaut habe – dann, ja dann werde ich endlich glücklich sein!
Doch das Hochgefühl, das ein erreichtes Ziel beschert, ist schneller wieder vorbei als gedacht. Einige Zeit später fühlt man sich wieder genauso glücklich oder unglücklich wie vorher. Die Halbwertszeit des Glücks währt nicht lange. Die Dinge die uns glücklich machen, werden schnell zur Normalität. Auch, wenn wir die schönste oder beste Version einer Sache besitzen, wird es irgendwann etwas geben, das noch besser oder noch schöner ist.
Die hedonistische Tretmühle im Fokus der Wissenschaft
Die Ursache dafür ist die hedonistische Tretmühle: Wie ein Hamster im Rad strampeln wir uns permanent ab, um das große Glück zu erreichen und treten dabei doch letztlich immer wieder auf der Stelle.
Auch Experten aus dem Bereich der positiven Psychologie und Wirtschaftswissenschaftler aus der Verhaltensökonomik haben dieses psychologische Phänomen unter die Lupe genommen. Zum ersten Mal taucht der Begriff hedonistische Tretmühle 1971 in einem Aufsatz von Brickmann und Campbell über hedonistischen Relativismus auf.
In den 1990er Jahren hat der britische Psychologe Michael Eysenck dieses Konzept zu der heute bekannten hedonistischen Tretmühlen-Theorie weiterentwickelt. Sie besagt, dass der Mensch die Tendenz hat, nach einem stark positiven oder negativen Lebensereignis relativ schnell zu einem relativ stabilen Level von Glück zurückzukehren. So mühen wir uns ständig ab, noch glücklicher zu werden, kommen aber doch nicht weiter.
Die hedonistische Adaption: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier
Von hedonistischer Adaptation oder Anpassungstheorie (adoption theory) spricht der Wirtschaftswissenschaftler Richard Layard, emeritierter Professor an der London School of Economics.
Er geht davon aus, dass wir uns an das Level unserer materiellen Ausstattung gewöhnen und unsere Ansprüche an das materielle Niveau schließlich immer weiter steigern. Auf Dauer können die ursprünglich glückserzeugenden Bedingungen keine Glücksgefühle mehr auslösen und sogar Extremerfahrungen werden im Laufe der Zeit nur noch auf einem mittleren Niveau erlebt.
Allerdings gibt es für Layard Quellen des Wohlbefindens, die nicht der gleichen Anspruchsinflation wie materielle Dinge unterliegen, wie etwa soziale Kontakte: „Ein gutes Gespräch bleibt ein gutes Gespräch, wohingegen ein gutes Auto nicht ein gutes Auto bleibt“.
In seinem 2005 veröffentlichten Buch „Die glückliche Gesellschaft: Kurswechsel für Politik und Wirtschaft“ stellt Layard fest: „Wir sind eine Wohlstandsgesellschaft – eine glückliche Gesellschaft sind wir nicht. Stress, Angst und Unsicherheit bestimmen unser Leben auf der Jagd nach Geld und Erfolg. Schuld ist die einseitige Fixierung auf ökonomisches Wachstum, die Politik und Wirtschaft bestimmt“.
Geld allein macht nicht glücklich
Viele Menschen glauben, sie wären glücklicher, wenn sie reicher wären. Doch Studien wie etwa des US-amerikanischen Psychologen Ed Diener zeigen, dass der Glückszuwachs ab einem gewissen Gehalts-Niveau nicht mehr so groß ist. Wer etwa in Deutschland lebt und ein unterdurchschnittliches Jahreseinkommen von 15.000 Euro bezieht, der erlebt einen starken Glückszuwachs, wenn sich das Einkommen auf 30.000 verdoppelt.
Wer es schafft, dies nochmal auf 60.000 zu steigern, erhält einen weiteren Glücksbonus, der jedoch schon bedeutend geringer ausfällt als beim ersten Sprung. Irgendwo zwischen 80.000 und 100.000 Euro Jahreseinkommen verliert sich der Zusammenhang. Das heißt: Einkommenszuwächse machen Arme glücklicher, Wohlhabende nicht unbedingt.
Andere Studien wie die der amerikanischen Psychologen Philip Brickman, Dan Coates und Ronnie Janoff-Bulman ergaben, dass auch Lotteriegewinner im Durchschnitt nach einem Jahr nicht mehr glücklicher waren als Menschen, die nicht in der Lotterie gewonnen haben. Irgendwann gewöhnen wir uns an alles, an den Traumjob, den Lottogewinn, ja sogar an die große Liebe, und aus glücklich wird schließlich normal.
Glück als psychologischer Treiber der Evolution
Doch das Auf und Ab des Glücks ist kein Zufall, sondern volle Absicht. Die Evolution scheint dauerhaftes Glück für den Menschen nicht vorgesehen zu haben. Glücklichsein ist niemals ein Zweck an sich. Die Menschen sind nicht dazu gemacht, um in einem permanenten Zustand unendlicher Glückseligkeit oder Ekstase zu schweben. Im Gegenteil: Die kurzen Glücksmomente sind die Triebkraft, die die Evolution am Laufen hält. Die uns zu immer neuen Leistungen anspornt und kurzzeitig für erreichte Ziele belohnt.
Die hedonistische Tretmühle ist der Motor, der den Menschen antreibt und Ursache für jeden Fortschritt und jede Weiterentwicklung. Die Evolution erfand das Belohnungssystem im Gehirn ebenso wie positive und negative Gefühle, um unser Verhalten zu motivieren. Die hedonistische Tretmühle zwingt uns fortwährend, nach dem Glück zu streben, ohne dass wir jemals dazu in der Lage sein werden, ein hohes Glücks-Level halten zu können.
Gefangen zwischen Kaufrausch und „Keeping up with the neighbors“
Die hedonistische Tretmühle hält auch den Kapitalismus am Laufen. Der Kauf von materiellen Gütern schüttet kurzzeitig Glückshormone in uns aus. Weil die Freude über den Kauf aber nicht lange anhält, kommt das Gefühl, sich durch einen Kauf erneut belohnen zu wollen, schnell wieder auf. Das gilt nicht nur für große einschneidende Anschaffungen wie Autos und Häuser, sondern auch für gewöhnliche Dinge.
Doch was über lebensnotwendige Sachen bzw. das normale Maß hinausgeht, kann schnell zu Zwangsneurosen werden. Denn das zehnte Paar Sneakers oder jedes Jahr das allerneueste Smartphone zu kaufen, bringt keinen wirklichen Mehrwert. Der Glückskick beim Klingeln der Kasse währt nur kurz. Und bald muss das nächste Paar Schuhe oder das noch bessere Smartphone her. Im Kern geht es bei solchen irrationalen Käufen nicht um die Freude oder den Nutzen an der Sache an sich. Sondern meist nur um die vermeintliche und kurzweilige Befriedigung unseres Belohnungssystems.
Ein nicht wirklich sinnvoller Konsum wird auch durch das ständige „sich vergleichen mit anderen“ angestachelt, Stichpunkt „keeping up with the neighbors“. Schnell werden wir mit unseren Sachen unzufrieden, weil das Gras auf der anderen Seite der Straße immer grüner ist. Wenn der Nachbar plötzlich einen Pool hat, brauche ich auch einen, obwohl ich eigentlich nicht gerne schwimme. Und so muss ich immer mehr Geld verdienen, um mithalten zu können und habe dadurch immer weniger Zeit, um die diese Dinge genießen zu können. Die Spirale dreht sich unaufhörlich weiter.
Das ist nicht ungefährlich: „Deshalb investieren die Menschen immer mehr Zeit und Energie in das Erlangen der nötigen finanziellen Ressourcen für die Befriedigung der materiellen Ansprüche, die sie von anderen Lebensbereichen abziehen müssen“, erklärt der Ökonom Richard Layard.
Probleme der Glücksspirale: Wir verschwenden unsere Lebens-Energie
Wer der hedonistischen Tretmühle in diesem negativen, rein auf das materielle fixierten Sinne völlig erliegt, der steht nicht nur seinem wahren Glück im Wege, sondern öffnet auch dem baldigen Burn-out Tür und Tor. „Immer wieder gibt der Mensch Geld aus, das er nicht hat, für Dinge, die er nicht braucht, um damit Leuten zu imponieren, die er nicht mag“, sagt der US-Komiker Danny Kaye in seinem bekannten Zitat.
Das Problem: Beim Versuch, möglichst viele Glücksmomente zu erhaschen, bleibt das Leben irgendwann selbst auf der Strecke. So können manche Menschen ihre Erfolge nicht mehr feiern, weil sie sofort wieder nach mehr streben. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Immer weiter, höher, schneller.
Ein extremes Beispiel dafür ist die ernüchternde Reaktion des Wiener Popstars Falco auf seinen grandiosen Erfolg: Im März 1986 erreichte seine Single „Rock Me Amadeus“ die Spitze der US-Charts – als erster und bis heute einziger deutschsprachiger Song. Während um ihn herum alles im Freudentaumel versank, ließ sich Falco von der hohen Erwartungshaltung erdrücken: „Des schoff i nie wieder. Jetzt is‘ aus.“
Die Probleme der hedonistischen Tretmühle bringt Buchautorin und Abenteurerin Janice Jakait, die allein im Ruderboot den Atlantik überquert hat, in einem Interview pointiert auf den Punkt:
Wir haben so viele Chancen und Möglichkeiten. Wir können alles erreichen, aber nichts stellt uns zufrieden. Die Lebenszeit läuft unaufhörlich ab. Wir verschwenden unser Leben, wenn wir annehmen, dass wir ewig Zeit hätten.
Viele Menschen stecken in einem Hamsterrad, das sich stets höher, schneller und weiter dreht. Geld verdienen, Geld ausgeben, Besitz, Zerstreuung und Unterhaltung. Sie jagen ständig neuen Zielen hinterher und finden keine dauerhafte Zufriedenheit oder einen echten Lebenssinn. Doch diese Dinge machen uns nicht wirklich glücklich, sondern lenken nur von dem Leben ab, das wir eigentlich leben möchten. – Janice Jakait
Wege aus dem Hamsterrad
Natürlich können wir uns der hedonistischen Tretmühle nicht völlig entziehen, aber wir können deren Wirkungsweise in sinnvollere Bahnen lenken.
Zuallererst sollten wir uns beim Blick auf materielle Dinge einige wichtige Fragen stellen: Welche Dinge in meinem Besitz machen mich wirklich glücklich? Was brauche und benutze ich wirklich? Was steht nur rum, wird von mir kaum beachtet oder wirkt sogar wie Ballast? Und vor allem: Wie viel Lebensenergie und Zeit stecke ich in das, was ich habe? Welchen Preis bin ich bereit zu bezahlen, um mehr zu kaufen?
Dabei geht es natürlich nicht darum, plötzlich auf alles zu verzichten. Sondern darum, unser Bewusstsein dafür zu schärfen: Was wir wirklich brauchen, was uns wirklich wichtig ist und was nicht. Und vor allem, was wir dafür bereit zu geben sind. Wir müssen herausfinden, ob ein ggf. ungezügelter Konsum lediglich eine Ersatzbefriedigung für etwas anderes ist, was uns wirklich zufrieden machen würde.
Achtsamkeit, Carpe Diem und Bedürfniskontrolle
Ein wichtiger Punkt ist auch die Bedürfnis-Kontrolle. In unserer Wohlstandsgesellschaft gibt es unzählige Möglichkeiten für viele Menschen, ihre Bedürfnisse sofort zu befriedigen. Durch Übersättigung und Abstumpfung kann der ungebremste Hedonismus jedoch schnell zur Anhedonie führen, der Unfähigkeit, wirklich Freude zu empfinden oder wirklich genießen zu können.
Die Lösung kann darin liegen, einfach mal zu versuchen, unsere Bedürfnisse hin und wieder etwas stärker zu kontrollieren. Sowie nicht alles einfach wahllos zu konsumieren. Dabei kann helfen, sich durch einen bewussten zeitweisen Verzicht und ein Aufschieben der Wünsche einmal der möglichen Überfütterung zu entziehen. Und zu versuchen, etwas bewusst zu genießen.
Eine weitere Möglichkeit, sich der hedonistischen Tretmühle zu entziehen, ist es, mehr Achtsamkeit in unser Leben zu bringen. Zu lernen, wieder stärker den Augenblick im Hier und Jetzt zu genießen. Im Stress des Alltags nehmen wir viele positive Momente gar nicht mehr wahr oder nehmen sie als selbstverständlich hin.
Hier ist ein stärkerer Fokus auf den Augenblick zu empfehlen, gemäß dem Zitat des römischen Dichters Horaz: Carpe Diem! Deswegen sollten wir versuchen, die schönen Aspekte unseres Lebens wirklich bewusst wahrzunehmen. Und uns auch an den vielen positiven kleinen, meist nicht-materiellen Erlebnissen erfreuen. Dazu zählen vor allem Erlebnisse mit Freunden und Familie.
Fazit: Die Hedonistische Tretmühle – Wege aus der Glücksfalle
Auf der Jagd nach dem vermeintlichen Glück sind viele Menschen in der hedonistischen Tretmühle gefangen. Der Rausch der Endorphine, der nach einem besonders positiven Lebensereignis eintritt, ist schnell vorüber. Und der Glückslevel pendelt sich wieder auf Normalniveau ein. So verlieren sich viele in einer Endlosspirale auf der Suche nach immer größeren Glückskicks. Und treten dabei dennoch auf der Stelle.
„Lebe endlich dein eigenes Leben, entscheide dich, erkenne und erfülle deine wahren Bedürfnisse. Es ist wichtig, uns verantwortungsbewusst und rücksichtsvoll selbst zu verwirklichen. Um damit dem eigenen Leben und dem Leben anderer Menschen einen Sinn zu geben“, sagt Janice Jakait.
Wichtig dabei ist, mehr Klarheit über unsere wahren Wünsche und Bedürfnisse zu gewinnen. Auch mehr Achtsamkeit und ein bewussteres Leben im Augenblick helfen, uns den negativen Auswirkungen der hedonistischen Tretmühle zu entziehen.