Gegen Liebeskummer hilft keine Medizin. Oder doch? Neurowissenschaftler haben die Chemie der Liebe untersucht und herausgefunden, wie sie sich möglichst lange erhalten lässt. Und welches Hormon hilft, wenn die Partnerschaft in die Brüche geht.
Die Liebe ist ein mächtiges Gefühl. Gegen sie hat auch die Vernunft nur selten eine Chance. Sie lässt das Herz Purzelbäume schlagen, die Welt vergessen, wiegt die Seele in Glückseligkeit. Seit jeher versucht der Mensch zu ergründen, was hinter dem Empfinden steckt. Warum es bei den einen mit den Jahren abflacht, während andere Paare es sich erhalten können. Und warum es so wehtut und hoffnungslos macht, wenn die Liebe plötzlich entzogen wird.
Das gilt nicht nur für Dichter, Musiker und Philosophen – sondern auch die Wissenschaft. Seit Jahrzehnten soll aufgeklärt werden, wie die Liebe entsteht und warum es sich so trost- und sinnlos anfühlt, wenn sie abhandenkommt.
Die Neurowissenschaftlerin Zoe Donaldson von der University of Colorado in Bouldern und ihre Mitarbeiter interessierte weniger der Zustand der Verliebtheit, als vielmehr welche biologischen Prozesse lang anhaltender Zuneigung zugrunde liegen. Sie fanden heraus, dass Liebe nicht nur emotional, sondern auch biologisch betrachtetet ein Lernprozess ist, der über das wohltuende Gefühl der Belohnung erfolgt. Das schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Current Biology“.
Klar ist: Die Zuneigung ist komplex. Gleich mehrere Hormone mischen mit. Unter anderem das „Glückshormon“ Oxytocin. „Es ist schon länger bekannt, dass Oxytocin, gemeinsam mit dem Blutdruckhormon Vasopressin verantwortlich für die starke soziale Bindung mit einem Partner ist“, sagt Andreas Bartels vom Werner-Reichardt-Centrum der Universität Tübingen.
Noch ein viel mächtigerer Stoff ist mit von der Partie: Dopamin, das Hormon des Verlangens. Es versetzt das Gehirn in freudige Erwartung, badet es in einer Zufriedenheit, die süchtig macht. Das gilt für Gefühle, ebenso wie für Zucker, Nikotin oder Kokain. „Der Mensch lernt, dass es eine lohnenswerte, schöne Erfahrung ist, mit dem Partner zusammen zu sein“, erklärt Bartels. Und wie Donaldson und ihre Kollegen nun herausfanden, braucht die Liebe, ähnlich wie beim Drogenkonsum, regelmäßig eine Prise davon, um die Liebe am Leben zu halten.
Stellvertretend für Menschen arbeiteten die Neurowissenschaftler mit Präriewühlmäusen, und zwar einer ganzen Mäusekolonie. Die flauschigen Nagetiere gehören zu den drei bis fünf Prozent der Säugetierarten, die in monogamen Paarbeziehungen leben. Ähnlich wie in guten menschlichen Beziehungen, kümmern sich die Tiere gemeinsam um ihre Jungen, sind sehr gesellig und scheinen beim Verlust des Partners ähnlich zu trauern wie der Mensch.
Donaldson und ihr Team aber verfolgten ein spezielles Ziel: „Wir wollten herausfinden, welche Rolle das Dopamin für die Motivation von Präriewühlmäusen spielt, ihren Partner nach kurzer ‚Trennungsphase‘ wiedersehen zu wollen.“ Für diese Untersuchungen setzten Donaldson und Pierce einen winzigen faseroptischen Sensor in das Belohnungszentrum, dem Nucleus accumbens, der Tiere. So ließ sich die Menge des freigesetzten Hormons als Lichtsignal in Echtzeit erfassen. Je mehr Dopamin ausgeschüttet wurde, umso stärker leuchtete die Sensorfaser auf.
In einem ersten Versuch musste eine Präriewühlmaus über einen Zaun klettern, um zum Partner zu gelangen. In einem weiteren hatte der Nager einen Hebel zu drücken, um eine Türe zu öffnen, hinter der der Partner oder die Partnerin sich aufhielt. Während das Tier arbeitete, um das Hindernis zu überwinden, leuchtet die Sensorfaser „wie ein Leuchtstab“, so der Vergleich von Erstautorin Anne Pierce. Paare, die in Fernbeziehungen leben, können dieses Gefühl wohl leicht nachempfinden.
Übertroffen wurde das Schauspiel nur vom Wiedersehen, als sich die Tiere schließlich aneinanderschmiegen und gegenseitig beschnüffeln konnten. Da zeigten die Sensoren eine noch höhere Dopaminausschüttung an. „Ein Leuchten wie bei einem Rave“, sagt Pierce. Die Erwartungsfreude war offenkundig ein Spiegelbild der Dopaminfreisetzung im Belohnungszentrum. So fühlt es sich an, wenn man am Flughafen oder Bahnhof auf den Partner oder die Partnerin wartet.
Und ähnlich enttäuscht, wie ein Mensch, der sitzen gelassen wird, reagierten auch die Nager, wenn hinter dem Zaun oder der Tür nicht der Partner, sondern eine x-beliebige Maus saß. Das Leuchten ließ unvermittelt nach.
„Unsere Forschungsergebnisse legen nahe, dass besondere Personen einen einzigartigen chemischen Eindruck, eine Signatur, in unserem Gehirn hinterlassen“, erläutert Neurowissenschaftlerin Donaldson. Er ermögliche, Bindungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. „Das erklärt, warum wir mit manchen Personen lieber zusammen sind als mit anderen“, fügt sie hinzu.
Donaldson und ihre Mitarbeiter unternahmen mit den Präriewühlmäusen noch einen Härtetest: Sie trennten ein Pärchen für vier Wochen. Das ist für diese Tiere eine kleine Ewigkeit angesichts einer Lebenserwartung von zumeist nur etwa ein Jahr. In der Wildnis wäre das genug Zeit, um einen anderen Partner zu finden.
Und wie beim Menschen lässt auch bei den Mäusen mit der Zeit die Sehnsucht nach. Als die Paare nach der langen Zeit der Trennung wiedervereint wurden, war der frühere Partner, hormonell gesehen, auf dem gleichen Level wie jede andere Präriewühlmaus. Die einstige Dopamin-Signatur im Gehirn, war in der Zwischenzeit so verblasst, dass das Verlangen nicht mehr aufflammte.
Für Donaldson hat das, auf den Menschen übertragen, durchaus etwas Gutes. Es könnte bedeuten, dass das Gehirn eine Art „Reset-Knopf“ gegen Herzschmerz hat, der eine neue Liebesbeziehung möglich macht. Auch, wenn der Partner stirbt, lässt den US-Forscherinnen zufolge diese chemische Signatur des Begehrens mit der Zeit nach.
Die Forschungsergebnisse von Donaldson und Pierce könnten daher Menschen zugutekommen, die sich schwertun über den Verlust eines Partners hinwegzukommen. Die starke Rolle des Dopamins könnte etwa, die verzweifelten Versuche manch eines Verlassenen erklären, Ex-Partner oder -Partnerin zurückzugewinnen. Ähnlich wie bei einer Sucht, versucht das Gehirn, den Glücksverlust zu kompensieren.
Nach Aussage von Donaldson hoffen die Forscher herauszufinden, wie die Dopamin-Signatur im Gehirn für gesunde Beziehungen aussieht. Möglicherweise findet sich eine Therapie für Menschen, die nach dem Verlust des Partners einfach nicht loslassen können. Aber zunächst müssen weitere Studien zeigen, wie gut die Ergebnisse aus den Nagerexperimenten tatsächlich auf den Menschen übertragbar sind.
Andreas Bartels ist diesbezüglich sehr optimistisch. Schon vor Jahren hatten er und seine Mitarbeiter bei bildgebenden Untersuchungen des Gehirns festgestellt, dass auch beim Menschen der Nucleus accumbens aktiv ist, wenn wir an den geliebten Partner denken oder ihn sehen.