5.1. Ein Angst-Wut-Script
Die Episode, die ich beschreibe, ereignete sich in der 80. Stunde einer dreistündigen psychoanalytischen Psychotherapie. Frau A. hatte bereits eine 80-stündige tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hinter sich, die sie
aber als wenig hilfreich empfunden hat. Der Behandler habe ihr sehr merkwürdige Selbstheilungsmittel, unter anderem halluzinogene Pilze, gegen ihre
Ängste empfohlen und sie im Laufe eines Jahres zehnmal vergessen. Sie habe
jedoch nicht gehen können, »weil niemand sonst mich haben wollte«. Zwei
Jahre vor unserer Begegnung hatte sie im Zusammenhang mit einem Klinikaufenthalt wegen einer somatischen Verdachtsdiagnose eine Art andauernden
Panikzustand entwickelt, der wahnhafte Elemente gegen die Ärzte enthielt,
die zu Gewaltakten führten, sodass eine Hospitalisierung in einer psychiatrischen Klinik empfohlen wurde. Vor der Aufnahme machte sie in der Klinik
eine Ortsbegehung und war sicher, sie würde dort zugrunde gehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihr damaliger Therapeut den Wohnort gewechselt, und
sie wurde bei mir vorstellig. Wir einigten uns auf eine dreistündige psychoanalytische Therapie, die zu Beginn recht wirksam schien. Nach über einem
Dreivierteljahr konnte sie ihre Arbeit wieder aufnehmen. Allerdings musste
ich von jeder ärztlich erscheinenenden Diagnostik Abstand nehmen. In der Stunde fand ich sie in folgendem Zustand vor:
