Freude, Furcht und Fokus

„Es gibt bestimmte Gewohnheiten, die alles besser machen“, sagt die Neurowissenschaftlerin Friederike Fabritius.

Gerade zum Jahresstart machen wir uns gerne Vorsätze. Sie umzusetzen fällt aber oft sehr schwer. Warum ist das so – und was hilft? Eine Neurowissenschaftlerin erklärt, was in unserem Gehirn vorgeht.

Menschen denken in Ritualen, das ist so in unserem Gehirn verankert. Bestimmte Momente im Leben regen uns zum Nachdenken an – Hochzeiten, Geburtstage, der Jahreswechsel. Wer einen solchen Zeitpunkt braucht, um etwas zu verändern in seinem Leben, sollte ihn nutzen.

Grundsätzlich kann jeder Vorsatz – mehr Sport, eine gesündere Ernährung oder eine neue Sprache – umgesetzt werden. Das Problem ist nur: Das Gehirn ist faul, es vermeidet Anstrengung um jeden Preis und verbleibt gern in alten Gewohnheiten. Auch deshalb scheitern so viele Menschen mit ihren guten Vorsätzen.

Unser Gehirn kann sich ganz wunderbar tolle Ziele ausdenken, aber der Bereich, der es dann umsetzen muss, die cognitive control functions, die kognitiven Kontrollfunktionen, ist evolutionär bedingt nicht voll ausgereift. Das sind Teile des Präfrontalen Cortex, und das ist genau der Bereich des Gehirns, der bei uns am schlechtesten funktioniert. Hinzu kommt, dass das Gehirn sehr auf Kurzfristigkeit aus ist, auf alles, was schnell zu einer Belohnung führt. Da ist die Schokolade, die ich jetzt esse, eben attraktiver als das Fitnesstraining, das ich drei Monate lang durchziehe.

Freude, Furcht und Fokus

Das free-energy principle des Neurowissenschaftlers Karl Friston beschreibt, dass das Gehirn immer nur so wenig Energie verbraucht wie möglich. Ungefähr 95 Prozent dessen, was wir jeden Tag tun, läuft deshalb unbewusst ab. Wir brauchen dafür keine will power, keine Motivation. Wer aber eine neue Gewohnheit aufbauen möchte, braucht genau diese Willenskraft, das Gehirn muss dafür Energie aufwenden – und das ist unglaublich anstrengend.

Es gibt mehrere Wege, wie wir vorgehen können, wie wir unser Gehirn austricksen oder im besten Fall mit und nicht gegen das Gehirn arbeiten können. Unsere Gewohnheiten sind im Grunde starke neuronale Netzwerke, die wir uns wie eine Autobahn im Gehirn vorstellen können.

Wenn ich neue Gewohnheiten etablieren möchte, entstehen im Gehirn zunächst nur ganz schwache Verbindungen, eher wie ein Trampelpfad im Gras, den man kaum sieht. Aber nach und nach stärke ich dieses neuronale Netzwerk. Und wenn Sie etwas drei Monate durchziehen, ist das neuronale Netzwerk danach so stark, dass Sie aus meiner Sicht automatisch weiter machen werden. Jeder kann das Gehirn innerhalb von zwölf Wochen beinahe nach seinen Wünschen umbauen.

Drei Punkte sind dabei für mich entscheidend. Ich nenne sie funfear und focus, Freude, Furcht und Fokus.

Wenn wir Spaß an etwas haben, schüttet der Körper Dopamin aus, das wirkt wie ein Brainbooster. Wenn ich zum Beispiel mehr Sport machen möchte, muss mir das unbedingt Freude bereiten, denn so bin ich sofort motivierter. Was ich immer wieder beobachte, ist, dass die Menschen eine positive Gewohnheit ersetzen durch eine, die sie hassen. Viele bestrafen sich mit ihrer neuen Gewohnheit. Die machen nichts Lustiges, nichts Schönes, nichts, was Freude bringt. Studien haben gezeigt, dass eine Sportart, die man nicht mag, kaum positive Effekte – etwa auf den Fettstoffwechsel – hat.

Das zweite Punkt ist die leichte Überforderung, sodass das Gehirn Noradrenalin ausschüttet, das uns hilft, aktiv zu sein, und uns einen Energiekick verleiht. Der größte Fehler, den Menschen machen, ist, dass sie sich zu große und zu viele Ziele setzen. Man darf nicht absolut überfordert sein, aber eben auch nicht gelangweilt, es muss so ein bisschen spannend sein.

So lernt unser Gehirn viel besser

Wer bisher noch nicht sehr viel Sport gemacht hat, sollte regelmäßig spazieren gehen und sich steigern. Wer bereits läuft, kann sich einen Marathon vornehmen. Wichtig ist, dass man sich danach belohnt, dass man eine Botschaft an das eigene Gehirn sendet, sich auf die Schulter klopft und sagt: Wow, gut gemacht! Das Gehirn lernt daraus: Du nimmst dir nicht nur etwas vor, du machst es auch. Das Schlimmste an Neujahrsvorsätzen ist aus meiner Sicht die Wirkung auf die Psyche, wenn man etwas nicht schafft, obwohl man es sich vorgenommen hat. Dann fühlt man sich wie der absolute Versager.

Der dritte Punkt ist die Konzentration. Wenn wir uns auf etwas fokussieren, wird Acetylcholin ausgeschüttet, das auf uns wirkt wie ein Objektiv, das unseren Blick schärft. Wir leben in einer Welt der absoluten Ablenkung, in der wir ständig konfrontiert werden mit Nachrichten, mit E-Mails, mit zu vielen Dingen. Wenn ich mich meiner neuen Gewohnheit widme, muss ich lernen, mich nur darauf zu konzentrieren. So lernt unser Gehirn viel besser, als wenn ich etwas nur halbherzig mache.

Außerdem sollte unser neues Vorhaben emotional etwas mit uns machen. Das Gehirn versteht genau, ob wir etwas wirklich wollen oder ob es nur ein Ziel ist, das gut klingt, uns persönlich aber eigentlich nicht berührt. Wenn Sie zum Beispiel schon immer einmal Spanisch lernen wollten, weil das schön wäre für den Lebenslauf, dann ist das vermutlich ein Ziel, das Sie nicht umsetzen werden.

Wenn Sie aber sagen, „Oh Gott, ich passe nicht mehr in meine Hosen rein und fühle mich unwohl, ich leide wirklich darunter“, dann kann man daraus etwas entwickeln, das die emotionale Relevanz fördert. Visualisieren Sie Ihre Ziele: Sportler stellen sich oft den Weg zum Erfolg vor, das kann helfen. Man kann aber auch ein bisschen mit Angst arbeiten und daran denken, was passiert, wenn wir unser Ziel nicht erreichen.

Es gibt bestimmte Gewohnheiten, die alles besser machen. Wenn man sich beispielsweise vornimmt, mehr Sport zu machen, haben Studien gezeigt, dass davon auch andere Gewohnheiten profitieren. Wenn Sie mehr Sport treiben, essen Sie zumeist auch gesünder, dann verbessert sich auch der Schlaf, und das Stresslevel senkt sich. Und immer wenn wir wenig Stress empfinden, hilft es dem Gehirn, gute Vorsätze umzusetzen. Umgekehrt versagen wir oft, wenn wir gestresst sind. Ich würde also mit Sport als neuer Gewohnheit beginnen und nicht mit dem Essen. Sport verändert sofort die Gehirnchemie mit Dopamin und Endorphinen.

Unser Gehirn ist dazu designt, sich zu verändern und immer wieder anzupassen. Es ist lernfähig bis ins hohe Alter. Es ist also nie zu spät, etwas zu verändern.

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