Es ist normal, im Krieg zu tanzen

Moisei Bondarenko spielt mit seiner Violine im Kriegsgebiet.

Und, es sollte, meine ich, auch normal sein, beim tanzen in den Krieg zu gehen.

Und beim Untergang zu tanzen.

Krieg ist eine „Zeit der besonderen Ehrlichkeit gegenüber sich selbst“.

Der Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller. Die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien. – Heraklit

Wer hat Heraklits Satz noch nicht gehört oder zumindest Abwandlungen davon gelesen wie “Am Anfang stand der Krieg” oder “Im Krieg entwickeln sich alle wichtigen Dinge.” Doch das hat Heraklit gar nicht gemeint, denn Krieg bringt vor allem Tod, grenzenloses Leid, Zerstörung und Niedergang mit sich.

Heraklit sprach über die Polarität des Lebens. Es besteht aus dem ständigen Wechselspiel von Gegensatzpaaren: Fröhlichkeit und Traurigkeit, Wärme und Kälte, Hunger und Sattheit, Tag und Nacht, Winter und Sommer. Diese Polarität prägt unser Leben.

Das Gefühl für Sattheit habe ich erst, wenn ich das Gefühl des Hungers hatte. Das Gefühl für Gesundheit habe ich erst, wenn ich vorher krank war. Ich kann das Leben also erst erleben, wenn die Pole, die nur scheinbar im Widerspruch zueinander stehen, aufeinandertreffen. Und dieses ständige Ringen, die Auseinandersetzung, der Streit der Pole, der zum Erleben des Lebens führt, den bezeichnete Heraklit als Krieg.

Krieg ist „eine tägliche Selbsterkundung“. Sich selbst nicht zu belügen heißt an­zuerkennen, dass man eigentlich gar nicht der ist, für den man sich immer gehalten hat.

Jene, für die ihre Selbsterkenntnis nicht enttäuschend war, haben im vergangenen Jahr herausgefunden, dass nichts unmöglich ist: „Viele Dinge nehmen wir gar nicht erst in Angriff, weil wir erwarten, dass sie scheitern. Aus dieser Logik heraus hat der Widerstand der Ukraine keinen Sinn, aber nachdem wir angefangen hatten, haben wir gesehen, dass wir nicht nur gegenhalten, sondern sogar gewinnen können. Also genau das zu tun, was alle Welt für unmöglich gehalten hat. Das ändert die Selbst- und die Weltwahrnehmung.“

Im alltäglichen Leben ist offensichtlich, dass man erstaunlich wenige Dinge wirklich braucht.

Keine Zeit für unglückliche Beziehungen
Krieg ist, wenn es kein anderes Leben gibt als dieses kleine, beschränkte, herausgerissene Stück. Das geschärfte Empfinden für die eigene Sterblichkeit und die Einsicht, dass sich das vertagte Leben, das irgendwann später kommt, nicht leben lässt. Es gibt einfach kein „irgendwann später“.

„Ich darf keinen Moment versäumen.“

Für Beziehungen, in denen du unglücklich bist, ist keine Zeit.

Für eine Arbeit, die du hasst, ist keine Zeit.

„Nicht mal in sehr schweren Zeiten hält das Leben inne. Es ändert sich, aber es geht weiter.“

Man kann das auch in Friedenszeiten tun. Wenn man es nicht vergisst.
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