Wut ist eine vitale Kraft

Deine Wut gibt Dir Lebenskraft.

Wut ist eine vitale Kraft, die durch Wutexposition in der Psychotherapie nutzbar wird.

Zusammenfassung:


Die für die psychische Gesundheit des Menschen unverzichtbare Verfügbarkeit der Gefühle des Ärgers und der Wut wird biologisch und psychologisch begründet. Aggressives und
frustrierendes Elternverhalten wird als Ursache von lebenslanger Angst- und Wuthemmung betrachtet, die zunächst dazu
führen, dass keine reife Emotionsregulation entwickelt werden kann, dass maladaptive Persönlichkeitszüge entstehen, die durch eine dysfunktionale Überlebensregel aufrechterhalten werden. Im Erwachsenenalter ist deshalb die in einer symptomauslösenden Situation notwendige Wehrhaftigkeit nicht verfügbar, so dass die Symptombildung als Notbremse fungiert, um doch noch aufgestaute Wut und Aggressivität in Schach zu halten. Wuttherapie und Wutexposition schaffen Erlaubnis, dieses Gefühl zu haben, lassen die zahlreichen Wutvermeidungen erkennen, bringen die Erfahrung, sicher mit Wut umgehen zu können, schaffen emotionale und interaktive Kompetenz, so dass es weniger Grund zu Wut gibt.

Das Ausmaß an destruktiver Aggressivität und Gewalt in Familie, Gesellschaft und in allen Erdteilen ist so groß, dass es uns ängstigt und wütend macht. Wut ist die Antwort auf erfahrene Gewalt. Die heutigen Täter waren in ihrer Kindheit Opfer. Ihre Kinder werden wieder Opfer sein und wieder Täter werden. Nicht alle, denn einige werden Wut und Aggressivität aus ihrer Psyche verbannen – so lange sie es können. Wenn ihnen das nicht mehr gelingt, werden sie psychische und psychosomatische Symptome entwickeln und eines Tages zu uns zur Psychotherapie kommen, wenn sie nicht an einer Psychose erkranken oder sich vorher umbringen.
In so wenigen Sätzen ist das Wesentliche über Wut, Gewalt
und Psychotherapie gesagt. Da bleibt noch zu erwähnen, dass das Hormon Testosteron das Aggressionspotential eines Mannes erhöht und dass es zudem bei Mann und Frau ein angeborenes Temperament gibt, das das Ausmaß des Ärger- und Wutausdrucks moduliert. Schließlich müssen wir unterscheiden zwischen dem Ausmaß an aggressiver Energie in der Psyche und dem Ausmaß des Ausagierens dieser Aggressivität. Manche Menschen haben eine angeborene Dysregulation ihrer Emotionen, die sie hindert, ihre Gefühle so zu steuern, wie es das soziale Zusammenleben erfordert. Wir können die Gefühle Ärger, Wut und Hass besser verstehen, wenn wir uns zunächst etwas mit der Hirnforschung beschäftigen. Sie zeigt,
was unser Gehirn in Bezug auf unsere Emotionen möglich macht.

Emotionen

Roth (2001) weist darauf hin, dass wir ohne das emotionale
Bewertungssystem des limbischen Systems bei noch so großer Intelligenz und analytisch-logischer Denkfähigkeit völlig hilflos in unserer Lebens- und Beziehungsgestaltung wären. Und dass diese emotionalen Bewertungen nur punktuell bewusst werden, im Wesentlichen aber der nicht bewussten Steuerung des Erlebens und Verhaltens dienen.

Damasio (2003) unterscheidet Emotionen und Gefühle. In der
zeitlichen Abfolge entsteht zuerst die Emotion und erst dann das Gefühl. Damasio unterscheidet drei Arten von Emotionen:
Hintergrundemotionen, primäre Emotionen, soziale (sekundäre) Emotionen. Hintergrundemotionen unterscheiden sich von
Stimmungen durch die lang anhaltende Dauer der letzteren. Man kann sie am ehesten mit Befindlichkeit beschreiben.
Normalerweise nicht bewusst, können sie wahrgenommen und
beschrieben werden, wenn die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird. Die primären Emotionen (Furcht, Wut, Ekel, Überraschung, Traurigkeit, Glück) sind auffällig. Die Auslöser sind über verschiedene Kulturen hinweg sehr ähnlich. Die sozialen Emotionen (Mitgefühl, Verlegenheit, Scham, Schuldgefühle, Stolz, Eifersucht, Neid, Dankbarkeit, Bewunderung, Entrüstung, Verachtung) sind als Veranlagung genetisch vorgegeben, ihre Entfaltung bedarf aber sozialer Lernprozesse. Hinde (1989) zeigte, dass bei Affen die angeborene Furcht vor Schlangen nur dann manifest wird, wenn das Affenjunge im Gesicht der Mutter Furcht bemerkt. Ein einziges Mal reicht aus.

Gefühle

Gestützt durch umfangreiche Forschung hat Damasio (1995, 2000, 2003) eine „Körper-Gefühls-Theorie“ entwickelt. „Ein Gefühl ist die Wahrnehmung eines bestimmten Körperzustands in Verbindung mit der Wahrnehmung einer bestimmten Art zu denken und solcher Gedanken, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen.“ Viele neuere Studien weisen darauf hin,
dass die Insel vermutlich größte Bedeutung für die Gefühlswahrnehmung hat.

Die Inselrinde, auch InselcortexCortex insularisLobus insularisInsulaInselReil-Insel oder Reilsche Insel (nach Johann Christian Reil, der sie 1796 erstmals beschrieb) genannt, ist ein Teil der Großhirnrinde. Zu jeder Hälfte des Großhirns (Telencephalon) gehört eine Insel; sie wird von den Opercula des Stirn-Scheitel- und Schläfenlappens bedeckt.

Links: Bei Betrachtung des Gehirns von außen ist die Inselrinde (rot) wegen ihrer versteckten Lage kaum sichtbar

Entscheidend für ein Gefühl ist nicht der tatsächliche Körperzustand, sondern die tatsächliche Kartierung des Körperzustands, der auch simuliert sein kann, z. B. Schmerz. Hysterische, Konversions- und somatoforme Syndrome laufen analog ab. Bei Empathie kommt es zu einer „Als-ob-Körperschleife“, einer emotionalen Simulation im Gehirn.
Adolphs et al. (2000) untersuchten, ob Patienten mit Schädigung der somatosensorischen Areale und der Insel die Fähigkeit zur Empathie verlieren. Schädigungen der für Gefühle und Emotionen zuständigen Hirnareale gehen mit Änderungen des Sozialverhaltens einher, die bis zu einem tiefgreifenden Wandel der Persönlichkeit reichen:

  • Entscheiden, wer vertrauenswürdig ist
  • Was ist angemessenes Sozialverhalten?
  • Mangel an Empathie
  • Soziale Gefühle wie Verlegenheit, Mitleid und Schuldgefühle sind stark reduziert

Gefühle sind notwendig für moralisches und ethisches Verhalten. Beides kann nicht allein aus der Vernunft heraus entstehen. Hinweise bietet auch die vergleichende Verhaltensforschung. So entdecken und bestrafen Vampirfeldmäuse und Raben Betrüger. Rhesusaffen verzichten bis zu Tagen auf Nahrung, wenn ihre Nahrungsaufnahme dazu führt, dass ein Artgenosse einen elektrischen Stromschlag erhält (Miller et al., 1967). Zusammenleben in einer Gemeinschaft erfordert Kooperation, die mit Hilfe von sozialen Gefühlen wie
Gerechtigkeit und Ehrgefühl besser vonstattengeht. Auch Dominanz- und Demutsverhalten helfen bei der sozialen Regulation.

Die Bedeutung von somatischen Markern

Gefühle machen sich in der Psyche und dem Bewusstsein dadurch bemerkbar, dass sie einen charakteristischen körperlichen Zustand, der angenehm oder unangenehm sein kann, vermitteln und dadurch die emotionale Bedeutung eines Objekts (realen Ereignisses, einer Erinnerung oder einer Phantasie/Idee) zur Geltung bringen. Durch die Koinzidenz mit dem Körperzustand entsteht assoziativ eine Markierung des Objekts im Gedächtnis, die Damasio als „somatischen Marker“ bezeichnet. Damasio (a. a. O.) unterscheidet zwei Arten von somatischen Markern:

a) wenn der Körper mit einbezogen ist und reale Körpersignale im Gehirn eintreffen,
b) wenn der Körper nicht einbezogen ist und keine Körpersignale entstehen

Letzteres ist ein „Als-ob“-Aktivitätsmuster im präfrontalen Cortex. Denn die Körperreaktionen werden nur im Gehirn durchgespielt, z. B. bei der Antizipation der Folgen eines Handlungsimpulses. Diese symbolische Verarbeitung ist ein intelligenter und ökonomischer Prozess der Psyche. Wenn aber die assoziativen Verknüpfungen aus der Kindheit resultieren und zu einer völlig anderen Subjekt-Objekt-Wechselwirkung gehören, als dies dem heutigen Erwachsenen und seiner realen heutigen Welt entspricht, dann kommen wir unmittelbar zu den Themen der Psychotherapie. Der Körper kann bezüglich der Dimension der Bewertung von Bedeutungen der gegenwärtigen und erinnerten Objekte und Ereignisse der Außenwelt als der wesentliche Lieferant der hierzu benötigten Informationen betrachtet werden. Die zugehörigen Geschichten können ohne Sprache „erzählt“ werden.

Die Bedeutung der Motorik und der Imitation

Wir müssen uns an folgende Aussage gewöhnen: „Wir sehen mit den Händen, Armen und Beinen.“ Bahnbrechend war in diesem Zusammenhang die Entdeckung der Spiegelneurone (mirror neurons) durch Rizzolatti et al. (1999). Rizzolatti und Mitarbeiter weisen auf die zentrale Bedeutung der Spiegelneurone für das Verstehen der Handlungen anderer Menschen hin. Ihre „direct matching hypothesis“ besagt, dass eine Handlung des Gegenübers dann verstanden wurde, wenn diese eine Resonanz im motorischen System des Beobachters hervorgerufen hat. Dieser Mechanismus nutzt das „motorische Wissen“ des Beobachters. Es gibt erste empirische Hinweise, dass dies auch bei Handlungen abläuft, die beim Beobachter empathische Emotionen hervorrufen, z. B. aggressive Handlungen (Carr et al., 2003). Allerdings sind in diesem Fall das limbische System und die Insula maßgeblich beteiligt.

Der Körper als Bühne des Gefühls und des Bewusstseins

Die Hirnforschung legt nahe, dass der Körper das Orchester
ist, mit dem unsere Psyche unsere Emotionalität spielen lässt
(Sulz et al., 2005), und zugleich die Bühne, auf der unsere
Gefühle tanzen und singen.

Unser Körper ist das Orchester, mit dem unsere Psyche unsere Emotionalität spielen lässt, und zugleich die Bühne, auf der unsere Gefühle tanzen und singen. Besonders gern tanzen unsere Gefühle der Wut und der Aggressivität. Denn die geben uns Lebenskraft.

Die zentrale Bedeutung des Körpers im Hier und Jetzt impliziert auch, dass die wichtigsten Erfahrungen des Menschen von seiner Geburt an bis in die Gegenwart überwiegend als körperliche Erinnerung gespeichert sind. D. h., dass sowohl das implizite als auch das explizite episodische Gedächtnis in großem Maß ein körperliches
Gedächtnis ist. Wenn die entsprechenden Erfahrungen noch nicht sprachlich verankert sind, können diese Gedächtnisspuren nicht über den kognitiv-sprachlichen top-down-Weg in Erinnerung gerufen werden. Sie müssen bottom-up wachgerufen werden. Hierzu eignet sich der Therapieraum als dritte Bühne, auf der der Körper sich so vorfindet, bewegt und in Beziehung tritt, dass ein Wiedererkennen und Erinnern früherer Szenen und Beziehungsmuster möglich wird. Körpertherapeuten wissen, dass dieses Wiedererkennen mit einem oft intensiven schmerzlichen Gefühl beginnt, worauf die Situation der Kindheit erinnert wird, in der die betreffende schmerzliche Erfahrung gemacht wurde. An diesem Punkt angekommen, gehen Psychotherapeuten verschieden Wege.
Auf alle Fälle ist ihre leibhaftige, schützende oder unterstützende Präsenz in diesem Moment eine korrigierende emotionale Erfahrung, die ein erster Teilschritt des Heilungsprozesses ist. Die zeitliche Kontiguität des schmerzlichen Erinnerns mit der wohltuenden Begleitung sorgt dafür, dass die durch den Erinnerungsvorgang destabilisierte Gedächtnisspur nicht mehr so ausschließlich negativ im Gedächtnis abgelegt wird (siehe oben). Wenn an diese Stelle auch noch das (körperlich im Hier und Jetzt erlebte) Bewusstsein tritt, diese Vergangenheit nicht selbst verschuldet, sondern eigentlich das Recht auf eine Befriedigung kindlicher Bedürfnisse gehabt zu haben,
kann diese schmerzliche Kindheitserinnerung nicht mehr ganz so deformierend auf das Selbstgefühl einwirken.

Wut und Ärger

Man könnte Wut als Emotion und Ärger als das entsprechende Gefühl definieren. Aber dabei vernachlässigt man den Aspekt der Intensität des Affekts. Für die nachfolgenden Erörterungen wird deshalb Ärger als der leichte bis mittelstarke Affekt und Wut als der starke Affekt betrachtet. Die biologische Funktion von Wut und Ärger ist das Signalisieren, dass jemand

  • meine Grenzen nicht beachtet hat,
  • mir etwas vorenthält, worauf ich ein Recht habe,
  • eine mich schädigende oder verletzende Handlung ausübt

Im sozialen Kontext kommt noch hinzu, dass er so mit einer Person umgeht, mit der ich mich im Moment identifiziere und mitfühle.

Eine zweite Funktion von Wut und Ärger ergibt sich unmittelbar daraus. Sie bewegt mich dazu, mich zu wehren:

  • den anderen aus meiner Domäne vertreiben und ihn in
    seine Grenzen verweisen
  • vom anderen fordern, mir das zu geben, was ich brauche
    und was mir zusteht
  • den anderen bekämpfen, so dass er aufhört, mich zu schädigen oder zu verletzen

Im sozialen Kontext kommt wieder hinzu, dass ich ihn daran hindere, so mit der Person umzugehen, mit der ich mich identifiziere.

Um ihre Funktion zu erfüllen, müssen Wut und Ärger auf
zweifache Weise wirksam sein. Zum einen müssen sie so groß
sein, damit sie mich bewegen,

  • sofort aktiv zu werden und
  • wirksam aktiv zu werden

Denn nur dann hört das Ärgernis auf. Je länger ich zögere, umso länger wird Schaden angerichtet. Je zaghafter ich eingreife, umso weniger gelingt es mir, dem anderen Einhalt zu gebieten.

Damit kommen wir zum zweiten Aspekt der Funktionalität von Wut und Ärger. Der Affekt muss in seiner Intensität

  • schnell ansteigen,
  • hoch bleiben, bis ich aktiv geworden bin,
  • schnell nachlassen, wenn ich effektiv war

Dieser Verlauf der Intensität des Affekts ist notwendig, damit ich unmittelbar aktiv werde, und zwar so effektiv, dass der Gegner aufhört, gegen mich zu handeln. Dann ist seine Funktion erfüllt, und jedes weitere Verweilen in einem Zustand von Ärger und Wut wäre unökonomisch und zugleich schädlich für die sozialen Beziehungen. Wut, die nicht aufhört, war nicht wirksam. Ärger wird nur dann chronisch, wenn es nicht gelingt, das Ärgernis aus der Welt zu schaffen.

Aus diesen Betrachtungen können wir schließen, dass Wut und Ärger sowohl zur biologisch notwendigen Ausstattung unserer Psyche gehört als auch ein unverzichtbares Instrument zur Regulierung unserer Beziehungen in der sozialen Gemeinschaft ist.

Diese Aussagen gelten, wenn unsere soziale Wahrnehmung und unsere Interpretation der Bedeutung des Handelns des
Gegenübers richtig sind, wenn es also wirklich unsere Grenzen verletzt hat, ungerechterweise mir etwas vorenthält, mich
psychisch oder körperlich angreift, ohne dass ich ihm Grund dazu gegeben hätte. Dies zu entscheiden ist bei Streithähnen nicht selten Aufgabe des Amtsgerichts oder bei Geschwistern mühsame Aufgabe der schlichtenden Eltern.

Es hängt davon ab, ob ich eine egozentrische Weltsicht habe, wie sie Piaget (1976) und Kegan (1986) Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zuschreiben, die noch auf der konkret-operationalen bzw. souveränen Entwicklungsstufe stehen. Oder ob ich schon zu einem sozialen Wesen geworden bin, das empathiefähig ist und sich ein faires Miteinander zum Anliegen macht (abstrakt-logische bzw. zwischenmenschliche und institutionelle Stufe).

Die wichtigsten Weichenstellungen in der Entwicklung der
Emotionsregulation finden im Vorschulalter statt, also zu einem Zeitpunkt, wo ein Kind in seinem Entwicklungsstand noch egozentrisch ist. Einem solchen Kind müssen die Eltern seinen Ärger und seine Wut lassen, auch wenn sie es in seinen aggressiven Handlungen limitieren. Da die Eltern meist selbst in ihrer Entwicklung noch egozentrisch sind, fühlen sie sich durch die kindliche Wut angegriffen und gehen mit massiven Drohungen und Gegenaggressionen vor. Sie verwechseln wie das Kind selbst das Gefühl der Wut mit der wütenden Handlung. Zwischen beidem liegt die Emotionssteuerung, die Entscheidung, ob die Wut handgreiflich rausgelassen wird, ob verbal gekämpft wird oder ob erst einmal durch Verhandeln geklärt wird, wie es mit dem Gegeneinander beider Anliegen und Interessen aussieht. Diesen reiferen Umgang mit ihrer Wut lernen nur Kinder, die diese Wut haben und behalten dürfen. Das Erlernen einer gut funktionierenden Emotionsregulation bleibt Kindern vorbehalten, deren Eltern um den
großen Wert dieser Gefühle wissen und die dem Kind wohlwollend helfen, sie so zu handhaben, dass es zu einem ausgewogenen Ergebnis im Abgleich eigener und fremder Interessen kommt. Ein großer Fehler ist dabei, dem Kind zu früh Empathie abzuverlangen. In seinem Weltbild ist die Rücksicht auf andere kein Gewinn, sondern ein ungerechter Verzicht, den die Eltern erzwungen haben.

Was hindert Kinder, sich Wut und Ärger als Instrument der
Selbst-Welt-Interaktion
zu eigen zu machen? Das sind

  • Eltern, die selbst so viel Angst haben, dass sie keinen Zugang zu Wut und Ärger haben;
  • Eltern, die sich selbst so extrem an inneren und äußeren
    Geboten und Verboten orientieren, dass sie Wut und Ärger permanent unterdrücken;
  • Eltern, die (vor allem zu Hause und gegenüber ihren Kindern) Ärger und Wut ungebremst herauslassen und Kinder extrem einschüchtern (meist ohne dies zu merken);
  • Eltern, die ihren Kindern gegenüber Gewalt in traumatischem Ausmaß anwenden;
  • Eltern, die ihre Kinder nicht vor äußerer Gewalt schützen

Dazu kommen soziale, gesellschaftliche und politische Bedingungen. Die Befunde von Marsha Linehan (1996) bei Borderline-Patientinnen, dass Eltern jegliche Gefühlsäußerung ihres Kindes invalidieren – sei es, indem sie ihm sagen, was es fühle, sei kein Ärger, sondern Trauer, sei es, dass sie ihm das Recht auf Wut absprechen –, gelten sicher auch für viele andere Elternhäuser, aus denen später Menschen erwachsen, die psychische Störungen entwickeln.

Was du fühlst, ist nicht Ärger, das ist Trauer. Auf Wut hast du kein Recht. – does that made me crazy?

Ich möchte hier nur auf den Aspekt des elterlichen Vorenthaltens von Bedürfnisbefriedigung eingehen, weil das den meisten Eltern unterläuft und sie sich nicht vorstellen können, dass dies eine Frustration ist, die beim Kind Aggression hervorruft. Häufige Frustrationsformen sind:

A. Frustration von Zugehörigkeitsbedürfnissen

  1. Mir fehlte Willkommensein
  2. Mir fehlte Geborgenheit
  3. Mir fehlte zuverlässiger Schutz
  4. Mir fehlte Liebe
  5. Mir fehlten Beachtung, Aufmerksamkeit
  6. Mir fehlte Verständnis
  7. Mir fehlten Wertschätzung, Bewunderung, Lob

B. Frustration von Selbstbedürfnissen

  1. Mir fehlten Selbstmachen, Selbstkönnen
  2. Mir fehlte Selbstbestimmung.
  3. Mir fehlten genügend Grenzen
  4. Mir fehlten Gefördert- und Gefordertwerden
  5. Mir fehlte ein hilfreiches Vorbild
  6. Mir fehlten Intimität, Hingabe, kindliche Erotik
  7. Mir fehlte ein Gegenüber

C. Frustration von Homöostasebedürfnissen
H1.Eine ängstliche Bezugsperson war …
H2.Eine bedrohliche Bezugsperson war …
H3.Eine bedrohliche Außenwelt wurde mir vermittelt von …
H4.Extrem wütend machte mich immer wieder …
H5.Viel zu schwach als Gegenpol zum anderen Elternteil
war …
H6.Schuldgefühle machte mir immer wieder …
H7.Missbraucht für seine eigenen Bedürfnisse hat mich …

Kinder haben ein Recht auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse und ein Recht, wütend zu sein, wenn Eltern diese nicht befriedigen. Dabei geht es nur um das notwendige Maß an Befriedigung, nicht um das maximale.

Wuthemmung als Hauptursache von Erkrankungen

Es klingt wie eine unerlaubte Vereinfachung. Lässt man jedoch die organischen und genetischen Ursachen beiseite, kann man die psychogenen Ursachen psychischer und psychosomatischer Erkrankungen fast alle auf einen Nenner bringen:
Dem Kind wurde im Vorschulalter die Fähigkeit genommen,
die Gefühle von Wut und Ärger in seinem aktiven Gefühlsrepertoire zu belassen, bzw. nicht die Möglichkeit gegeben, die Fähigkeit zu einer reifen Emotionsregulation und zu einem guten Umgang mit Wut und Ärger zu entwickeln.

Da leider auch viele spätere Psychotherapeuten dieses Schicksal erlitten, kann es sein, dass deren Selbsterfahrung nicht weit genug ging, um bei sich selbst diese Entwicklungsschritte nachzuholen. Wenn bei ihnen selbst noch Wuthemmung besteht, dann wird es für sie schwierig, diese Aussage überhaupt anzunehmen. Sie müssen sich über diesen Satz ärgern. Denn er stellt sie ja scheinbar in ihrem Selbstverständnis als Mensch und Therapeut in Frage. Ich selbst gehöre auch zu den Therapeuten, die dieses Handicap in den psychotherapeutischen Beruf mitbrachten, und weiß um die dadurch entstehenden Begrenzungen therapeutischer Wirksamkeit.

Ein Kind muss seine Wut schon in einem Alter unterdrücken, in dem es noch keinerlei Steuerungsfähigkeit besitzt. Es schafft diese Unterdrückung nur mit Hilfe großer Angst, die ihm seine Eltern machen. Angst vor Vernichtung, vor Trennung und Alleinsein, vor Kontrollverlust, vor Liebesverlust oder vor Gegenaggression. Der Angstinhalt hängt auch von der momentanen Entwicklungsstufe ab. Ein Kind, das so früh seine aggressiven Tendenzen aus seinem Bewusstsein verbannen muss, kann auch nicht lernen, mit ihnen umzugehen. Es braucht die Angst, um sie in Schach zu halten. Oder: Die Angst darf nicht aufhören, sonst kommen die verbannten gefährlichen Impulse wieder. Sobald Wut und Ärger ins Bewusstsein
wollen, entsteht so große Angst, dass sie nicht wahrgenommen werden können. Immer wieder erfahren wir von Menschen, die aus irgendeinem Grund ihre Angst verlieren und dann aggressiv werden. Das kann an der Übernahme einer höheren, machtvollen Position in der Familie, im Beruf oder in der Politik liegen.

Wir kennen ja auch andere Menschen, denen die emotionale
Steuerungsfähigkeit fehlt. Sie agieren ihre Aggression aus, da sie den Schutzmechanismus dieser Ängste in ihrer Kindheitsgeschichte nicht erworben haben oder ihn nur bis zur Pubertät benötigten und dann ablegten, weil die Eltern nicht mehr so bedrohlich und mächtig erschienen.

Wohin verschwindet die Wut?

Wut kann nicht einfach verschwinden. Sie bleibt entweder wie ein aufgeladener Akku oder wie Zündpulver, das – eingebunkert – große Sprengkraft hat. Manche Menschen tragen ihr Leben lang eine riesige Menge Wut mit sich herum, ohne sie auszuleben. Einigen merkt man es an. Sie bringen kein unfreundliches Wort über die Lippen, aber wie sie ihre Worte sagen, lässt die Aggression spürbar werden. Eine sehr häufige Art, das eigene Aggressionspotential zu entschärfen, ist die Entfaltung einer dysfunktionalen oder maladaptiven Persönlichkeit, die im Extremfall zu einer Persönlichkeitsstörung wird. Die meisten von uns haben etwas
davon (Sulz und Maier, 2009). Wir werden in unserer Persönlichkeit selbstunsicher, um mit Hilfe unserer sozialen Angst keine Wut auf den anderen spüren zu können etc. (Tab. 1).

Es ist erstaunlich, wie hoch in mehrere Studien das Ausmaß von Wut mit der Ausprägung dieser maladaptiven Persönlichkeiten korreliert (Sulz und Müller, 2000; Sulz und Maier, 2009). Sie sind sowohl durch Angst als auch durch die eingebundene Wut charakterisiert.

Wenn nur noch das Symptom die Wut aufhalten kann

Mit dieser vorläufigen Entsorgung unserer angesammelten Wut können wir sehr lange emotional überleben. Erst wenn in unserem Leben eine Situation eintritt, in der so viel Wut aktualisiert wird, dass wir sie nicht mehr einbinden können, muss uns ein psychisches oder psychosomatisches Symptom retten. Die Symptombildung ist so explorier- und erklärbar: eine typische beobachtbare Situation (die frustrierend ist, z. B. Partner geht fremd)

  1. Die primäre Emotion als Antwort auf diese Situation (z. B.
    Wut)
  2. Der primäre Handlungsimpuls, der aus dieser Emotion resultiert (z. B. Angriff)
  3. Der Gedanke: Bedenken der Folgen meines Handelns
    (z. B. „Dann werde ich abgelehnt“)
  4. Ein gegensteuerndes sekundäres Gefühl ( z. B. Schuldgefühl, Ohnmacht)
  5. Im Körper die psychovegetative Begleitreaktion dieses
    Gefühls (z. B. Schwächegefühl)
  6. Mein beobachtbares Verhalten (z. B. tun, was mein Gegenüber will, Tatenlosigkeit)
  7. Symptombildung (z. B. Niedergeschlagenheit: depressives
    Syndrom)

In einer noch nicht veröffentlichten Studie konnte diese
Reaktionskette mit der primären Emotion Wut situations- und
verhaltensanalytisch bei über 90 von 100 Patienten bestätigt
werden. Bei diesen Patienten wurde eine individuelle maladaptive Überlebensregel identifiziert, die sie nötigte, sich entsprechend ihres maladaptiven Persönlichkeitszugs zu verhalten:

  • Nur wenn ich immer selbstunsicher bin (mein dysfunktionaler Persönlichkeitszug)
  • und wenn ich niemals Wut habe bzw. zeige,
  • bewahre ich mir z. B. Zuneigung (zentrales Bedürfnis)
  • und verhindere, dass ich abgelehnt werde (zentrale Angst).

Wenn diese Menschen in ihrer Kindheit die Chance gehabt hätten, mit Hilfe von Ärger und Wut ein wehrhaftes Verhalten
aufzubauen, dann hätten sie später nicht zum Symptom als
Notbremse greifen müssen.

Wuttherapie

Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass der Umgang mit Ärger und Wut ein wesentliches Therapieziel fast jeder Psychotherapie sein sollte. Hier werden exemplarisch wichtige Aspekte einer Wuttherapie als Emotionstraining (Sulz, 2001) dargelegt. Die Aufgaben eines Emotionstrainings zum Aufbau einer funktionalen Emotionsregulation sind:

  1. Aufgabe:
    Erlaubnis zur Wut geben
  2. Aufgabe:
    Erfahrung, dass intensives Gefühl im Innenraum bleiben kann
  3. Aufgabe:
    Erkennen, welche Vermeidungsarten ablaufen
  4. Aufgabe:
    Patienten an der Vermeidung von Wut hindern
  5. Aufgabe:
    a) Interaktive Kompetenz: funktionaler Umgang mit Wut
    b) weniger Wut durch interaktive Kompetenz – vorhersehbare Situationen
    c) weniger Wut durch interaktive Kompetenz – unvorhersehbare Situationen

Erste Aufgabe der Psychotherapie ist es, die Erlaubnis zu
geben,

  • Gefühle zu haben,
  • Gefühle wahrzunehmen,
  • Handlungsimpulse, die aus meinen Gefühlen resultieren,
    wahrzunehmen,
  • Handlungen zu phantasieren, die aus meinem Gefühl heraus entstehen wollen

Gegebenenfalls sind solche Phantasien als Möglichkeit der Katharsis zu sehen, um auf diese Weise Wut zu entsorgen, statt sie zu unterdrücken, und in Symptome oder in gestörte Persönlichkeitszüge zu transformieren.

Zweite Aufgabe der Psychotherapie ist es, die neue Erfahrung zu vermitteln,

  • dass ein intensives Gefühl im psychischen Innenraum bleiben kann, ohne in die Welt hinauszumüssen und dort unkontrollierbaren Schaden anzurichten
  • dass also Gefühl nicht gleich Handlung ist,
  • dass eine phantasierte Handlung in meiner Psyche bleibt,
  • dass also Phantasie nicht gleich Realität ist,
  • dass ich ein erwachsener Mensch bin und im Gegensatz
    zu einem zwei- oder dreijährigen Kind Selbstkontrolle und
    Selbststeuerung besitze,
  • dass ich also einen steuernden Willen habe, durch den ich
    frei entscheiden kann, was ich tue und was ich nicht tue,
  • dass ich mich auf meine Selbststeuerung und auf meine
    Willenskraft verlassen kann,
  • dass der Therapeut sich auf mich und meine Selbststeuerung verlässt und verlassen kann.

Dritte Aufgabe der Psychotherapie ist es, mich erkennen zu
lassen, wie ich bisher mit meiner Wut umgegangen bin und wie ich weiterhin verhindere, obige Erlaubnis und obige Erfahrungen einzusetzen, d. h., welche Vermeidungsstrategien ich unentwegt anwende:

affektiv:

  • gar kein Gefühl wahrnehmen
  • ein Ersatzgefühl wahrnehmen (Enttäuschung, Traurigkeit,
    Verständnis, Angst)

kognitiv:

  • lediglich Vorwürfe machen, sich beklagen
  • den Schaden, den der andere anrichtete, gedanklich minimieren
  • die böse Absicht des anderen verleugnen
  • in erklärende abstrakte Denkmodelle flüchten
  • entschuldigende Gedanken erfinden

körperlich:

  • sich ganz schwach und müde fühlen
  • Muskelverspannungen entwickeln
  • Kopfweh oder ein anderes Schmerzsyndrom entwickeln
  • körperlich krank und hilfsbedürftig werden

handelnd:

  • bewegungslos werden
  • weggehen
  • die Wut an einem anderen auslassen
  • erst dann jähzornig herausplatzen, wenn mir der Kragen
    platzt
  • verbissen Leistung und Pflichterfüllung bringen
  • passiver Widerstand durch Dienst nach Vorschrift

Vierte Aufgabe der Psychotherapie ist es, jedes Mal in der
Therapiestunde den Patienten daran zu hindern, Wut zu vermeiden:

  • durch Wahrnehmen von Körpersignalen des Patienten, die
    Wut zeigen
  • durch Wahrnehmen von Körperreaktionen, die Vermeidung von Wut bezwecken
  • durch Fragen, welches Gefühl gerade da ist
  • durch Auffordern, sich auf die Gefühlswahrnehmung zu
    konzentrieren
  • durch Stoppen der Flucht in gedankliche Erörterungen
  • durch Hinführen auf Bewusstseinsinhalte, die das WütendMachende in den Vordergrund rücken
  • durch Entlarven von persönlichkeitsimmanenten Habits
    als Wutvermeidung
  • durch Zurückholen zur Wut, wenn er in ein anderes Gefühl abgedriftet ist
  • durch Druckmachen und weiter
  • durch Druckmachen und immer wieder
  • durch Druckmachen

Fünfte Aufgabe der Psychotherapie ist es, neue Umgangsweisen mit der Wut zu vermitteln:

a) Funktionaler Umgang mit der Wut (emotionale Kompetenz)
b) In vorhersehbaren Situationen: durch interaktive Kompetenz in sozialen Situationen so erfolgreich sein, dass es weniger Anlass zu Wut gibt
c) In unvorhersehbaren Situationen: interaktive Kompetenz durch Schlagfertigkeit

a) Funktionaler Umgang mit der Wut:

  • Wut bewusst wahrnehmen
  • Prüfen, ob Wut jetzt angemessen ist. Wenn ja:
  • Meine Wut ganz zulassen
  • Prüfen, ob die Intensität meiner Wut dem Anlass entspricht.
    Wenn ja:
  • Meine Wut aussprechen
  • Spüren, was ich aus meiner Wut heraus tun möchte
  • Prüfen, ob meine Wut-Handlung angemessen ist. Wenn
    ja:
  • Sagen, was ich aus meiner Wut heraus tun möchte.
  • Hören, was der andere antwortet. Wenn es noch notwendig ist:
  • Aus meiner Wut heraus handeln

Therapeutisches Vorgehen: Imagination, Wahrnehmungsübung, Rollenspiel

b) Durch interaktive Kompetenz in sozialen Situationen so erfolgreich sein, dass es weniger Anlass zu Wut gibt

Therapeutisches Vorgehen: Imagination, Wahrnehmungsübung, Rollenspiel Situationen absichtlich aufsuchen, um das Gelernte zu üben.

c) Unvorhersehbare Situationen: Schlagfertigkeit

Therapeutisches Vorgehen: Imagination, Wahrnehmungsübung, Rollenspiel, aufmerksam die vielen kleinen Gelegenheiten erkennen und nutzen, um das Gelernte zu üben.

Konkretes Vorgehen: (Der Gegner ist instruiert, auf eine vereinbarte Weise zu konfrontieren, z. B. sich ständig ganz nah zu setzen, auf die Pelle zu rücken oder nachzuäffen, oder abzuwerten, oder zu witzeln, dumme Fragen zu stellen.)

Bleibt die Frage, ob nicht ein einfaches Selbstbehauptungs- und Kommunikationstraining die gleiche Wirkung erzielt. Tatsächlich ist der letzte Teil des Emotionstrainings der Handlungsebene gewidmet und kann durch ein Selbstbehauptungstraining geleistet werden. Der erste Teil, die Emotionsregulation, bedarf allerdings einer differenzierten Beachtung der emotionalen Prozesse in der konkreten Situation.
Wichtig ist auch, dass unterdrückte Wut einen großen Teil der
vitalen Energie eines Menschen bindet. Freierer Umgang mit
Wut macht diese Energie verfügbar, die nun auch in liebende
Zuwendung in wichtigen Beziehungen investiert werden kann.

Die Qualität der Beziehungen steigt dadurch in doppelter
Hinsicht.

Konsequenzen für die Psychotherapie

Aus der Hirnforschung erscheint mir vor allem das Konzept

  • der vollständigen Repräsentation des Körpers in der Insula,
  • der ganzheitlichen Simulation von künftigen Szenarien,
    die zu einer treffsicheren Antizipation der Körperantwort
    auf den inneren Film führen und so
  • als somatische Marker zu der für den Menschen bestmöglichen Entscheidung führen;
  • des körperlichen Spiegelns (Mitreagierens und Mitfühlens)
    als Mittel, um das Handeln des anderen Menschen zu verstehen und zu imitieren (Empathie).

Die Veränderung dysfunktionalen Denkens, wie es in der
Kognitiven Therapie praktiziert wird, kann nicht geschehen,
ohne dass die assoziierten Gefühle verändert werden (Sulz
und Lenz, 2000; Sulz, 2004b).
Und die psychotherapeutische Arbeit mit Gefühlen ist untrennbar mit Körperarbeit verbunden.
Entscheidend ist, dass ein profundes Verständnis der prägenden Erfahrungen der frühen Kindheit ab Geburt vorhanden ist, wie es von der Säuglingsforschung und der Bindungsforschung vermittelt wird. Dies ist ein Wissen um soziale Beziehungen und deren Verkörperung. Und ein Wissen um die Notwendigkeit von positiver Beziehungserfahrung für die Reifung des kindlichen Gehirns, das die interpersonelle Wechselwirkung benötigt, um dispositionelle Reaktionsweisen entwickeln zu können.

Es wird deutlich, dass ein wesentlicher Schritt der Psychotherapie das Motto haben muss „Wo Emotion ist, soll Gefühl werden“ als Voraussetzung für einen bewussten Diskurs und die Entfaltung einer integrierten Identität. Dies kann z. B. durch die Intervention der Wutexposition erarbeitet werden.

Der zweite Schritt besteht dann darin, eine reife Emotionsregulation aufzubauen, die immer auch eine kompetente Beziehungsregulation ist. Hier wird realitätsgerechte soziale Wahrnehmung, Selbststeuerungsfähigkeit und Empathie entwickelt.

Literatur

Adolphs R, Damasio H, Tranel D, Cooper G, Damasio A (2000): A
Role for Somatosensory Cortices in the Visual Recognition of
Emotion as Revealed by 3-D Lesion Mapping. J Neurosci
20:2683-2690
Carr L, Iacobini M, Dubeau MC, Mazziotti JC, Lenzi GL (2003):
Neural mechanisms of empathy in humans : a relay from neural
systems for imitation to limbic areas. Proc Natl Acad Sci U S A
100:497-502
Damasio AR (1995): Descartes Irrtum – Fühlen, Denken und das
menschliche Gehirn. München: List
Damasio AR (2000): Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung
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